Hinter verschlossenen Türen
eine Probe mit ihr anzustellen, ehe wir die letzte Entscheidung treffen. Ich bin darauf eingegangen; heute abend wird sie im Hause Gretorex Genofeva vorstellen, wie ich neulich in Frau Olneys Haus Mildred war.«
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»Ein unvergeßlicher Abend. Mildred kam in der Dämmerung, und wir wechselten die Kleider. Meine Abendtoilette stand ihr vortrefflich. Dann gab ich ihr wohl eine halbe Stunde lang die genaueste Anweisung, wie sie sich meiner Mutter gegenüber zu verhalten habe, wie sie Doktor Kameron begegnen solle. Sie ist eine gelehrige Schülerin; man hätte meinen können, sie sei von Kind auf an diese Umgebung gewöhnt, so schnell fand sie sich in allem zurecht. Als sie nun hinuntergehen sollte, um die gefährliche Feuerprobe zu bestehen, da sah sie so strahlend und glücklich aus, daß ich sie zurückrief, um ihr zu sagen, das sei ein Ausdruck, wie man ihn bei mir seit den Kinderjahren nicht gesehen habe. Darauf nahm sie eine ernsthafte, sittsame Miene an und fragte schalkhaft, ob Doktor Kameron mir je die Ehre antue, mich zu küssen. ›Manchmal,‹ erwiderte ich. ›Dann flehe zum Himmel, daß er es heute nicht tut,‹ flüsterte sie, ›ich würde sicherlich purpurrot werden, denn meine Lippen hat noch nie ein Mann berührt.‹«
»Die Worte gingen mir wie ein Schwert durchs Herz. Sie ist so unschuldig und unerfahren, und ich setze sie einer so furchtbaren Versuchung aus. In ihre Träume von Glanz, Genuß und Bewunderung mischt sich jetzt auch eine romantische Schwärmerei für den Mann, dem sie das alles verdanken soll. Sie hat zwar nie den Ton vonDoktor Kamerons Stimme gehört, aber neulich hat sie ihn vor unserm Hause gesehen, und der eine Blick war genug, sie zu begeistern.«
»Unglaublich. Sie ist stolz und froh zurückgekehrt, ihr Fuß schien kaum noch die Erde zu berühren. ›Es ist geschehen,‹ rief sie, ›ich habe bei Vater und Mutter (so nannte sie Herrn und Frau Gretorex) auf dem Sofa in der Bibliothek gesessen und im Wohnzimmer ein paar Worte mit Doktor Kamerun gewechselt. Gern hätte ich noch länger mit ihm gesprochen,‹ fügte sie unbefangen hinzu. ›Du siehst, ich bin noch am Leben, mir war nur ein klein wenig bange und verwirrt zumute. Die Mutter sah mich anfangs überrascht an, aber nicht lange; ihr gegenüber fühlte ich mich etwas verlegen, sie sah so gebieterisch aus; nach einiger Uebung werde ich jedoch auch in ihren Augen eine ganz regelrechte Genofeva sein. Ob Doktor Kameron mit seiner Braut zufrieden war, mußt Du von ihm erfahren, wenn Du ihn wiedersiehst.‹ – ›Du wirst ihm schon gefallen haben,‹ sagte ich, ›wenn Du ausgesehen hast wie in diesem Augenblick.‹ – Wir lachten beide und schauten uns dann lange und ernsthaft an. Der Würfel war geworfen, unser Entschluß gefaßt.«
»Wäre Mildreds kühner Versuch mißlungen, so hätten wir gesagt, es sei ein Scherz gewesen. Ich bin froh, daß es dessen nicht bedurfte; es wäre meiner Liebe für Dich nicht würdig.«
»So wohlgemut wie Mildred bin ich nicht, aber ebenso glücklich. Denkst Du an mich mit gleicher Innigkeit, wie ich Deiner gedenke? Steht mein Bild Dir stets vor der Seele, ist es Dir ein Sporn zu höherem Streben? Nur völliges Vertrauen zu Dir kann mir die Kraft verleihen,das gewagte Unternehmen durchzuführen, dessen einzig« Zweck ist, vier Menschenseelen zu befriedigen und zu beglücken.«
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»Auf welche Weise ich mich frei machen werde, wenn die Stunde kommt, die mich Dir zu eigen gibt, sollst Du nicht vorher erfahren. Du könntest Dich sonst weigern, ein so großes Opfer von mir anzunehmen (obgleich Du ein Opfer willst und verlangst); auch fürchte ich noch immer, daß der Plan mißlingt und alle unsere Hoffnungen zu Schanden werden. Drum ist es besser ich schweige, bis der Augenblick da ist. Dann wirst Du Dich mit mir über das Gelingen freuen und das Weib von Herzen willkommen heißen, das bereit war, sein eigenstes Selbst aufzugeben, um Dir angehören zu können.«
»Meine Mutter wollte eine Schar Brautjungfern zur Hochzeit ihrer Tochter laden, aber ich habe mich dagegen aufgelehnt; wie hätte sich Mildred vor ihren Fragen, vor den scharfen Augen weiblicher Neugier schützen sollen? Das Fest wird ja ohnehin noch glänzend genug sein, um den Reichtum des Hauses zur Schau zu stellen, wie meine Mutter es liebt. Prachtvolle Geschenke sind bereits eingelaufen, Mildred wird ihre Freude haben an all der
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