Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Hinterhalt

Titel: Hinterhalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garry Disher
Vom Netzwerk:
ein paar Minuten und als niemand mehr kam, legte er ab.
    Zehn Uhr dreißig. Wyatt merkte, wie er zitterte. Seine Hände waren blutverschmiert, und er stand auf und steckte sie in die Jackentaschen. Unweigerlich stieß er auf die Geldbündel aus dem Überfall. Er suchte einen Platz, wo ihn der Fährmann nicht sehen konnte, und zählte nach. Fünfzehntausend Dollar in Fünfzigern und Hundertern. Sein Herz hörte auf zu klopfen, und allmählich verblasste der Schrecken und machte kalter Wut Platz. Sie hatte das zusammen mit Stolle ausgeheckt. Sie hatten ihn dazu gebracht, die Drecksarbeit zu erledigen, hatten ihn für die Planung und Ausführung benutzt, weil er das beherrschte wie kein anderer, und dann hatte ihn Stolle an der einzigen Schwachstelle kassiert — beim Umladen des Geldes in ein anderes Fahrzeug. Mit Bitternis dachte er an seine eisernen Regeln, die er diesmal alle gebrochen hatte. Erstens: Wer dich einmal aufs Kreuz gelegt hat, wird es auch ein zweites Mal tun. Gib ihm nicht die Möglichkeit dazu. Zweitens: Lass niemals zu, dass Gefühle dein Urteilsvermögen beeinflussen. Drittens: Gib denjenigen, mit denen du arbeitest, nur soviel Informationen wie nötig. Er hatte Anna Reid in alle Details des Plans eingeweiht.
    Er hörte, wie der Fährmann den Motor drosselte. Gischt spritzte hoch und die Fähre legte mit einem dumpfen Geräusch an der mit Autoreifen gesicherten Anlegestelle in Dutton Park an. Wyatt ging von Bord, bahnte sich einen Weg durch die Menge wartender Studenten und ging die hügeligen Straßen des Vororts entlang.
    Er wollte zu Fuß weiter. Zwar besaß er fünfzehntausend Dollar und hätte sich ein schnelleres Transportmittel leisten können, doch es war schon genug, dass der Fährmann ihn gesehen hatte, es mussten nicht noch Hinweise von Taxifahrern oder Busfahrern hinzukommen.
    Von Highgate Hill über South Brisbane erreichte er eine halbe Stunde später die Staatsbibliothek. Er ging hinein, fand die Toiletten neben der Kinderbuchabteilung und wusch sich die Hände. Danach entfernte er den Staub von seinen Schuhen. Dann feuchtete er seine Haare an und zog mit den Fingern einen Scheitel. Eine Locke ließ er in die Stirn fallen. Er nahm die Krawatte ab und legte das Jackett über den Arm. Die .38er verstaute er griffbereit in seiner Tasche. Er ging über die Victoria Bridge Richtung Innenstadt und sah aus wie ein x-beliebiger Angestellter.
    Elf Uhr. Er hatte Anna Reid geraten, am Tag des Überfalls nichts zu tun, was die Aufmerksamkeit auf sie lenken würde. Sie musste jetzt also in ihrem Büro sein. Der Sitz der Versicherung, für die sie arbeitete, befand sich in einem Gebäude in der Allenby Street. Ein flacher, unauffälliger Betonklotz, der alles andere war als ein Blickfang. Wyatt ging durch den Haupteingang und direkt zum Fahrstuhl, als hätte er jeden Tag hier zu tun.
    Er musste warten. Dann kam ein Aufzug, er ging hinein und drückte die Knöpfe für die siebte und neunte Etage. Er zog sein Jackett an, band sich die Krawatte um und nahm die .38er wieder aus der Tasche, um sie hinten in den Hosenbund zu stecken.
    Die Stockwerke flogen an ihm vorbei. Auf einem Schild über der Tür leuchteten grüne Zahlen und verloschen, leuchteten auf und verloschen: 4 ...5 ...6 ...7. Etage, hier arbeitete Anna Reid. Wyatt hatte nicht vor, auszusteigen, doch er musste die Anordnung der Etage sehen. Wo lagen die Büros entlang des Flurs? Wo war das Treppenhaus? Er lehnte lässig im Fahrstuhl, als dieser hielt, ein Typ auf seiner Fahrt nach oben.
    Der Aufzug ruckte, die Tür wollte sich nur zögerlich öffnen. Doch dann schoben sich die Metallplatten auseinander und Anna Reid starrte ihn an. Alle Farbe wich aus ihrem Gesicht — als ahnte sie, dass er gekommen war, um sie zu töten.
    Niemand rührte sich. Wyatt sah sie gleichgültig an, dann musterte er ihre Begleiter. Einer an jeder Seite. Der eine wollte gerade den Aufzug betreten und zog Anna am Arm, als der andere sagte: »Der fährt nach oben.«
    Der erste Mann nickte, trat zurück und verstärkte den Griff um Annas Arm.
    Als ob sie mit diesen Handschellen noch große Sprünge machen könnte. Wyatt setzte nun einen neugierigen Blick auf, der biedere Bürohengst, der Zeuge eines kleinen Dramas wird. Diesen Blick behielt er bei, bis sich die Türen wieder schlossen und Anna ihrem Schicksal überließen: den Zivilbeamten und den uniformierten Bullen, die hinter ihr standen.
    Wyatt stieg im neunten Stock aus. Ein langer Flur mit Türen auf jeder

Weitere Kostenlose Bücher