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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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zu sagen.
    Miriam setzte sich zu ihm – leider an das andere Ende der Bank – und betrachtete ihn einen Moment eingehend. »Ihr seht elend aus, Monseigneur. Seid Ihr sicher, dass Ihr nicht lieber noch das Bett hüten solltet?«
    Er wandte den Blick ab. Der ihre war ihm zu besorgt. Es war nicht Besorgnis, die er in diesen Augen sehen wollte. »Ich bin mir nur sicher, dass ich genug davon hatte, die Decke anzustarren«, bekannte er. »Wobei es eine sehr großzügige, behagliche Kammer ist, in die Euer Vater mich hat bringen lassen. Ihr sollt nicht denken, ich sei undankbar.«
    »Es ist das Gemach meines Bruder«, klärte sie ihn auf. »Meines älteren Bruders David, meine ich. Er ist mit meinem Onkel in London.«
    »Euer Bruder ist Kaufmann wie Euer Onkel, nicht Arzt?«, fragte er.
    Miriam rollte die zarten Blätter in ihren Händen zu kleinen Röhrchen zusammen, schaute darauf hinab und schüttelte den Kopf. »David wird einmal Arzt werden wie Vater. Aber das wird noch dauern – er ist erst siebzehn. Er und mein Onkel sind nicht geschäftlich in London, sondern zu einer Beerdigung. Ein Goldschmied aus Lincoln, der unser Cousin war. Wir haben viele Cousins.«
    »Er lebte in Lincoln und wird in London begraben?«, wunderte sich Losian.
    »In London ist der einzige jüdische Friedhof in ganz England.«
    Losian schwieg schockiert. Was für eine Mühe, für jeden Toten solch eine beschwerliche Reise antreten zu müssen. Ob die Bischöfe nicht erlaubten, dass Juden auf christlichen Friedhöfen beigesetzt wurden? Oder waren es die Juden, die das nicht wollten? Er hätte es gern gewusst, aber er wagte nicht, sie zu fragen. Sie sollte ihn weder für dumm noch für taktlos halten.
    »Ich denke, sie kommen nächste Woche zurück. Zum pessach -Fest«, fuhr Miriam fort. »Und danach wird mein Bruder heiraten.«
    »Mit siebzehn?«
    »Wir heiraten jung«, erklärte sie mit einem Achselzucken. »So schreibt das Gesetz es vor, denn es ist Gottes Wille.«
    Er spürte, dass die Aussicht auf die Heirat ihres Bruders sie nicht glücklich machte. »Und er wird mit seiner Braut in dieses Haus ziehen?«, tippte er.
    Miriam nickte und erhob sich ohne Eile. »Ihr müsst mich nun entschuldigen, Monseigneur.«
    Er hatte den Verdacht, dass er sie mit seinen Fragen vertrieben hatte. »Aber was wird aus Storchkraut und Schellschnabel, wenn Ihr jetzt schon das Feld räumt?«
    Sie lachte. Es war nur ein stilles kleines Lachen, aber ihr ganzes Gesicht erstrahlte, und für einen Moment funkelte Übermut in den großen, fast schwarzen Augen. »Storchkraut und Schellschnabel sorgen für sich selbst.« Damit wandte sie sich ab, las ihre Harke aus dem Gras auf und ging zur Küchentür hinüber, hinter der sie verschwand.
    Keinen Herzschlag zu früh. Losian hatte gerade erst damit angefangen, sie zurückzusehnen und wie ein verliebter Narr auf die Tür zu starren, durch welche sie das Haus betreten hatte, als Miriams Vater aus der gegenüberliegenden Pforte in den Garten kam – zusammen mit den Zwillingen und Grendel.
    »Ah«, machte Godric. »Hier steckst du. Wir fingen schon an zu glauben, diesmal hätte Regy dich aufgefressen.«
    Ehe Losian antworten konnte, fuhr Josua ihn barsch an: »Ich kann mich nicht entsinnen, Euch erlaubt zu haben, das Bett zu verlassen.«
    »Und ich kann mich nicht entsinnen, dass ich Eurer Erlaubnis bedürfte, Josua ben Isaac. Im Übrigen besteht kein Grund, mich so grimmig anzuschauen. Ich wollte ein wenig Frühlingsluft und Sonne. Aber ich merke, dass ich nun bald lange genug auf war, und werde mich in Kürze folgsam wieder hinlegen. Zufrieden?«
    Die gefurchte Stirn glättete sich. »Einigermaßen.«
    Die Zwillinge ließen sich an seiner Seite nieder, wie üblich in einer perfekt abgestimmten, geradezu graziösen Bewegung. Grendel setzte sich vor Losian, bettete den Kopf auf sein Knie und klopfte mit der buschigen Rute auf den Rasen.
    »Ich muss gestehen, ich bin erleichtert, dich in einem Stück zu sehen, Mann«, bekundete Godric. »Das beruhigt mein Gewissen.«
    Losian kraulte Grendel hinter den Ohren. »Wir haben alle gewusst, dass so etwas früher oder später passieren würde. Man könnte auch sagen: Ich kannte mein Risiko.«
    »Es macht dir gar nichts aus, he? Dass er dich um ein Haar umgebracht hätte?«, fragte Wulfric. »Ehrlich, das kann ich nicht verstehen.«
    Losian dachte einen Moment darüber nach. Es stimmte: Es war eigenartig, dass er so wenig Groll auf Regy verspürte. Vielleicht hatte der ja recht

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