HISTORICAL Band 0264
konnte.
2. KAPITEL
Er wollte sie.
Er wollte die unterkühlte Eigentümerin des Blue Parrot in seinen Armen und in seinem Bett, und Jack Kestrel war es gewohnt, das zu bekommen, was er haben wollte. Eigentlich war es ein Ding der Unmöglichkeit, da das erpresserische Treiben ihrer Schwester zwischen ihnen stand, aber Jack war entschlossen, einen Weg zu finden, wie er Miss Sally Bowes dennoch für sich gewinnen konnte.
Er war erleichtert gewesen, nachdem er herausgefunden hatte, dass ihn seine Instinkte am vergangenen Abend doch nicht getrogen hatten. Jack hasste die wenigen Gelegenheiten, bei denen er sein Urteilsvermögen in Zweifel ziehen musste. Aber was für Sünden Miss Connie Bowes auch begehen mochte, er war sich sicher, dass ihre Schwester so ehrlich war, wie sie behauptete. Sally war keine Erpresserin.
Er sah ihr nach, als sie die elegante Treppe zur zweiten Etage hinaufstieg. Sie war hochgewachsen und hielt sich sehr aufrecht, mit der unbewussten Anmut eines Menschen, der schon von Kindheit an Haltung gelernt hatte. Nicht zum ersten Mal fragte er sich, wie wohl ihr familiärer Hintergrund sein mochte. Er war lange nicht in London gewesen, zu lange, um irgendetwas über die Eigentümerin des beliebtesten Clubs der Stadt wissen zu können. Aber er war entschlossen, mehr über sie in Erfahrung zu bringen.
Obwohl er wusste, dass der Angestellte hinter ihm wartete, um ihn zu Tisch zu führen, rührte Jack sich nicht, bis Sally außer Sichtweite war. Oben auf der Treppe zögerte sie und drehte sich langsam um, und ihn erfüllte ein wildes Triumphgefühl, dass sie sich seiner Beobachtung die ganze Zeit bewusst gewesen war. Ihre Blicke trafen sich, und er spürte die Wirkung am ganzen Körper, bis sie schließlich verschwand und er sich wieder auf den wartenden Angestellten besann.
„Hier entlang, wenn es recht ist, Sir“,sagte der Mann. Trotz seiner tadellosen Höflichkeit war seine Feindseligkeit zu spüren. Jack verkniff sich ein amüsiertes Lächeln. Von Anfang an hatte er gemerkt, dass Sally Bowes’ Angestellte sehr beschützerisch wirkten, was sie betraf. Sie ahnten, dass er eine Art Bedrohung darstellte, daher mochten sie ihn nicht. Er fand ihre Loyalität Sally gegenüber bemerkenswert und fragte sich, was sie wohl getan hatte, um sie sich zu verdienen.
Der Geschäftsführer führte ihn aus dem beeindruckend großzügigen Eingangsbereich in einen mit einem dicken roten Teppich ausgelegten Flur, vorbei an Türen, hinter denen all die Vergnügen warteten, die das Blue Parrot zu bieten hatte. Und all die Laster, dachte Jack. Der Rauchersalon, die Blaue Bar und der Goldene Salon, wo zweifelsohne Spieltische unter hell leuchtenden Kronleuchtern genauso aufgestellt waren wie in Monte Carlo. Hier gab es nichts so Vulgäres wie im Cabaret des „Moulin Rouge“, keine tanzenden Mädchen oder als grell geschminkte Teufel Verkleidete, die die Getränke servierten. Jack fand, dass es wahrscheinlich ein guter Entschluss von Sally gewesen war, den eher ordinären Stil von Paris nicht am Londoner Strand nachzuahmen. Das Blue Parrot bot den eleganten Komfort eines Herrenclubs und eines Landsitzes in sich vereint, aber gleichzeitig herrschte hier auch eine aufregende, schillernde Stimmung, die ihn so viel reizvoller machte als die verstaubten alten Clubs von St. James.
Der Geschäftsführer trat zurück, um ihn in den Speisesaal eintreten zu lassen, doch in dem Moment öffnete sich die Tür zum Goldenen Salon, und Jack sah das Glitzern der Kronleuchter darin und die Croupiers, die am Baccaratisch die Karten gaben. Er zögerte.
„Sir …“ Die Stimme des Geschäftsführers klang nun ein wenig beunruhigt. „Miss Bowes hat mir aufgetragen, Sie in den Speisesaal zu führen.“
Jack lächelte. Er glaubte, in dieser Nacht eine Glückssträhne zu haben. „Seien Sie unbesorgt“, beschwichtigte er. „Ich werde ein paar Runden spielen, während ich auf Miss Bowes warte.“
An einem der Baccaratische nahm er Platz, und sofort erschien ein Kellner mit einem Glas Champagner. Eine der eleganten blonden Animierdamen machte sich auch bereits auf den Weg zu ihm, aber Dan hielt sie mit einem Wort zurück. Jack sah, wie sie den Kopf zur Seite neigte und große Augen machte. Was ihr der Geschäftsführer wohl gesagt haben mochte? Mit einem letzten bedauernden Blick auf Jack zog sie sich wieder zurück.
Jack nahm seine Karten, lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, bis Sally
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