HISTORICAL BAND 295
bereits entschieden, dass niemand mehr ihn und seine Leute aus Northumbria vertreiben konnte. Leider hatte er wohl auch noch recht damit. Die Dänen wollten dieses Land, das viel besser und fruchtbarer war als ihr eigenes, und nachdem sie es nun erobert hatten, würden sie sich nicht mehr vertreiben lassen. Die Männer waren Wulfrum treu ergeben, der wiederum Halfdan gegenüber loyal war. Allein hier an der Tafel konnte man deutlich erkennen, welch großen Respekt sie vor ihm hatten. Wulfrum musste seine Macht nicht demonstrieren; was er sagte, das war Gesetz. Sie würden kurzen Prozess mit jedem machen – ob Mann oder Frau –, der sich über seine Worte hinwegsetzte. Ihr begegneten sie mit jener Ehrerbietung, die sie als seine Ehefrau verdiente, doch sie behielten sie immer im Auge, und Olaf Eisenfaust würde sie auch am kommenden Morgen streng bewachen. Was Wulfrum über im Wald lauernde Gefahren gesagt hatte, war natürlich richtig. Dennoch war sie überzeugt, dass das Risiko eines erneuten Fluchtversuchs der eigentliche Grund für ihn war, sie bewachen zu lassen. Dabei verschwendete sie gar keinen Gedanken mehr an ein Entkommen, da sie ihre Landsleute niemals der Gnade der Wikinger ausliefern würde.
Elgiva schreckte aus ihren Gedanken hoch, als sie Hilda aufschreien hörte. Ceolnoth, einer von Wulfrums Männern, hielt sie fest und bestand offenbar darauf, dass sie sich auf seine Knie setzte, was sie eindeutig nicht wollte. Ein lauter Knall war zu hören, als sie ihm eine Ohrfeige gab, was von seinen Kameraden mit schallendem Gelächter kommentiert wurde. Elgiva sah zu Wulfrum, doch der schien keine Notwendigkeit zu sehen, sich einzumischen. Ceolnoth sprang von seinem Platz auf, bekam Hilda zu fassen, ehe diese fliehen konnte, und zerrte sie in Richtung Tür. Ihre Entsetzensschreie gingen im Gelächter der Männer unter.
„Werdet Ihr nichts unternehmen, Wulfrum?“, fragte Elgiva empört.
„Was soll ich denn deiner Meinung nach tun?“
„Euren Männern sagen, dass sie keine wehrlosen Frauen belästigen sollen.“
„Wehrlos? Nun, so würde ich euch angelsächsische Frauen ganz sicher nicht beschreiben.“
„Ihr wisst genau, was ich meine. Hilda ist keine Hure, und sie verdient es auch nicht, wie eine solche behandelt zu werden.“
„Sie ist hübsch, und es ist offensichtlich, dass Ceolnoth sich für sie erwärmt. Soll ich ihm das verbieten, was ich mit meiner eigenen Ehefrau selbst auch haben möchte?“ Zufrieden beobachtete er, wie ihr Gesicht bei seinen Worten wieder rot anlief, während ihre Augen zornig funkelten. Er wusste, sie hatte ihn verstanden.
Elgiva weigerte sich, auf seine Anspielung einzugehen. „Sie ist nicht seine Ehefrau“, hielt sie dagegen.
„Nein, aber das wird sie bald sein. Offenbar sind seine Gefühle für diese Frau tiefer. Er hat mich heute Morgen um Erlaubnis gebeten, sie zur Frau zu nehmen, und ich habe nichts dagegen einzuwenden. Er wird sie schon bald heiraten.“
„Und was sagt Hilda dazu? Habt Ihr auch mit ihr gesprochen, um Euch nach ihren Gefühlen für ihn zu erkundigen?“
Er zog eine Braue hoch, denn auch wenn sie leise redete, war ihr Tonfall hitzig. „Ich erkundige mich nicht nach den Wünschen einer Dienerin“, antwortete er. „Hilda wird Ceolnoth heiraten. Er ist ein anständiger Bursche, und er wird ein guter Ehemann sein.“ Er ließ seinen Blick durch den Saal schweifen. „Wäre das nur für all meine Männer so einfach. Aber dafür gibt es hier nicht genügend Frauen.“
Elgiva wusste, dass an seinen Worten etwas Wahres dran war. Ceolnoth hatte vom ersten Moment Interesse an Hilda erkennen lassen. Wie es schien, war sein Verlangen nach ihr nicht abgeebbt, und nun war das Schicksal der jungen Frau besiegelt, genau wie ihr eigenes. Wulfrum schien ihre finstere Laune zu spüren.
„Ist es denn nicht besser, dass eine Frau verheiratet ist und damit eine respektierte Stellung innehat?“, fragte er. „Wäre es dir lieber, wenn ich sie meinen Männern überlassen würde, damit jeder von ihnen sie haben kann, wann er will?“
„Das würde ich keiner Frau wünschen“, machte sie ihm klar. „Aber ich wünsche auch keiner Frau, dass sie gezwungen wird, einen Mann zu heiraten, den sie nicht …“ Abrupt unterbrach sie sich und verfluchte insgeheim ihr stürmisches Temperament, das sie dazu veranlasst hatte, einfach draufloszureden. Wulfrum betrachtete sie argwöhnisch.
„Den sie nicht liebt?“, fragte er.
„Der ihr nichts bedeutet, wollte
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