HISTORICAL BAND 295
ich sagen.“
„Ich habe dir auch nichts bedeutet, und trotzdem bist du meine Frau.“
„Mir blieb ja auch keine andere Wahl.“
„Das stimmt. Aber sag mir, Elgiva, ist es nicht so, dass du mich inzwischen liebst?“, fragte er spöttisch, und sie spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss.
„Nein!“
Wulfrum lachte so laut, dass einige Männer an der Tafel sich zu ihm umdrehten.
„Das wirst du aber noch.“
„Da macht Ihr Euch etwas vor, Herr.“
„Wirklich?“
Er sah sie an, bewunderte ihr Profil, er ergötzte sich an ihrer Schönheit. Dann wanderte sein Blick weiter zu ihrem Hals und zum Ansatz ihres Busens. Im Geiste befreite er sie von allem Stoff, der ihre Haut bedeckte. Elgiva schien zu bemerken, wie beharrlich er sie anschaute, denn nun begannen ihre Wangen erst recht zu glühen. Plötzlich drehte sie sich um und warf ihm einen zornigen Blick zu.
„Müsst ihr mich so anstarren?“
„Welcher Mann würde dich nicht anstarren wollen?“ Er strich mit einer Hand über ihren Ärmel. Elgiva zwang sich dazu, sich nicht zu rühren, auch wenn es ihr so vorkam, als würde ihre Haut unter dem Stoff brennen.
„Außerdem“, fuhr er fort, „glaube ich, es ist dir nicht so unangenehm, wie du vorgibst.“
Der Wunsch, ihn zu schlagen, wurde beinahe übermächtig – nicht nur, weil seine Bemerkung so zutreffend gewesen war, sondern auch, weil er sie in einem unerträglich hochmütigen Tonfall ausgesprochen hatte.
„Es steht jedem frei zu glauben, was er glauben will, Herr. Wenn Ihr Euch etwas vormachen wollt, werde ich Euch nicht daran hindern können.“
„Ich glaube, du bist diejenige, die sich etwas vormacht, Elgiva.“ In seinen blauen Augen war plötzlich kein amüsiertes Funkeln mehr zu sehen, und ehe sie sich eine passende Erwiderung überlegen konnte, hatte er sich bereits zu ihr vorgebeugt und küsste sie auf den Mund. So sehr wurde sie davon überrumpelt, dass sie sich nicht rühren konnte und den Kuss ertragen musste. Dabei kochte sie vor Wut über diese Demütigung. Dennoch konnte sie sich des Gedankens nicht erwehren, dass er mit seiner Behauptung recht haben könnte. Als Wulfrum sich wieder von ihr löste, zeigte seine Miene nicht das geringste Zeichen von Reue. Tiefrot vor Verlegenheit rang Elgiva um Fassung, da ihr von allen Seiten amüsierte Blicke begegneten. „Das ist für Euch nur ein Spaß, nicht wahr?“, zischte sie aufgebracht.
„Glaubst du das wirklich?“
„Ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll.“
„Dann lass dir gesagt sein, dass ich mit dir keine Späße treibe und das auch noch nie getan habe.“
„Und was war das gerade eben?“
„Weißt du das nicht? Hat Aylwin dich nie so geküsst?“
Elgiva starrte ihn ratlos an, da sie nicht wusste, was Aylwin damit zu tun haben sollte.
„Also? Hat er oder hat er nicht?“
Ihre Wangen wurden noch röter. „Ganz bestimmt nicht. Er hat mich immer respektvoll behandelt.“
Wulfrum musste abermals lachen, und wieder sahen etliche Männer in seine Richtung. Elgiva stand auf und schaute ihren Ehemann entrüstet an. „Ihr seid unmöglich!“
Ihr Vorwurf rief nur noch lauteres Gelächter hervor, und Wulfrum unternahm nichts, um sie zurückzuhalten, als sie die Tafel verließ und in Richtung Treppe davonstürmte.
Elgiva erwachte am nächsten Morgen beim ersten Lichtschein und verließ leise das Bett, wobei sie Wulfrum einen hasserfüllten Blick zuwarf. Er schlief jedoch noch und bekam davon nichts mit. Da sie ihn nicht ins Gemach hatte kommen hören, musste er noch lange im Saal gesessen und getrunken haben. Aus Sorge, er könnte die Unterhaltung vom gestrigen Abend fortsetzen wollen, wenn er jetzt aufwachte, ging sie auf Zehenspitzen durch die Kammer und zog sich so leise wie möglich an. Dann schlich sie nach draußen in den Hof. Osgifu erwartete sie bereits mit mehreren Körben im Arm. Gemeinsam gingen sie zum Tor, wo Eisenfaust mit Schwert und Axt bewaffnet ihrer harrte.
Die Sonne stand hoch am Himmel, als Elgiva und Osgifu mit vollen Körben zurückkehrten. Anschließend waren sie noch eine Weile damit beschäftigt, einige Kräuter zu Bündeln zusammenzubinden, damit sie zum Trocknen aufgehängt werden konnten, während andere in heißes Wasser getaucht oder fein gehackt wurden, um sie dann mit Gänseschmalz zu einer Salbe zu verrühren. Es roch intensiv nach einer Mischung aus den unterschiedlichsten Tränken und Tinkturen, Gerüche, die Elgiva mit Heilung und Gesundheit verband. Die Rolle einer Frau
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