Historical Band 303
Hochzeit!“
Auch sie musste unwillkürlich über die Absurdität der ganzen Situation lachen. Da saß sie nun unter dem heiligen Traualtar im Arm eines Fremden, der die arme Joséphine übermalen sollte. Dabei war sie Jacques sicherlich völlig gleich. Gewiss hielt er sie bloß für eine törichte Näherin aus dem Palast und ihr Anliegen für überaus lächerlich.
Dann aber bemerkte sie, dass seine fesselnden Augen sie belustigt betrachteten. Und noch etwas funkelte in seinem Blick – etwa Begierde?
Ein Kuss. Er sagte, er verlange einen Kuss für jede Stunde, die er für diese Arbeit benötigte. Plötzlich erschien ihr die Situation gar nicht mehr lustig. Ihr Puls beschleunigte sich vor Sorge und sie benetzte ihre trockenen Lippen.
Rau flüsterte er: „Ein günstiger Zeitpunkt für eine Vorauszahlung, denke ich.“
Er zog sie auf die Füße und hielt sie so nah an sich, dass sie den Kopf in den Nacken legen musste, um ihm in die Augen zu blicken. Die Hände um ihre Hüften legend zog er sie näher, sanft, aber unnachgiebig. Ihr blieb keine Zeit, Einwände zu erheben, schon senkten sich seine Lippen auf die ihren, versiegelten sie mit einem genüsslich sinnlichen Kuss, der ihre Entschlossenheit ins Wanken brachte und schließlich zerbröckeln ließ. Warm fühlten sich seine Lippen an, und fest. Unwillkürlich öffnete sie den Mund, worauf seine Zunge ihn mit süßem, forderndem Verlangen erforschte.
Unvermittelt nahm eine gefährliche Sehnsucht von ihr Besitz. Einige magische Momente lang vergaß sie alles um sich herum, spürte und schmeckte nur noch diesen Mann, der ihren Körper an seine muskulöse Brust drückte. Sie schwelgte fernab der Realität in einer Welt der Sinne – einer Welt, erhellt vom schwachen Schein der Kerzen auf dem goldenen Altar. Flackernd tanzte das Licht über seine Arme, als er sie fester an sich zog, um ihren Mund mit dem seinen in köstlicher Weise zu erobern. Ein leises Stöhnen entrang sich ihrer Kehle; sie verzehrte sich nach mehr.
Verrückt. Was tat sie da? Sie hatte diesen Mann doch gerade erst kennengelernt. Sie wusste nichts über ihn. Er könnte gefährlich sein … Könnte? Ganz offensichtlich führte er das Leben eines Schwerenöters und Schürzenjägers!
Jacques de Claremont. Sie begehrte seinen Kuss mehr als alles andere auf der Welt. Alles.
Schließlich löste er sich von ihr. Sah sich erneut um, studierte kühl die kuppelförmige Decke der Kapelle. „Morgen fange ich mit meiner Arbeit an“, sagte er. „Ich treffe Sie vor dem Eingang, kurz nach sechs. Diese Zeit haben Sie genannt, nicht wahr?“
Sie nickte. Mam’selle Sophie, erste Näherin im Palais des Tuileries, versuchte sich weiszumachen, dass nichts von Bedeutung geschehen war, obwohl Jacques, der Maler, gerade ihr ganzes Leben auf den Kopf gestellt hatte.
„Ja“, sagte sie. Doch ihre Stimme glich einem leisen Ächzen. Sie gab vor, zu husten, und fuhr dann in festerem Ton fort: „Ja, ich treffe Sie um kurz nach sechs vor dem Eingang. In den öffentlichen Galerien wird auch um diese Zeit noch reger Betrieb herrschen, was uns nur nützlich sein wird. Aber müssen Sie nicht Farben mitbringen und Pinsel?“
„Dieses Jackett hat große Taschen“, meinte er und richtete den Blick auf eines der Gemälde. „Ich beginne mit diesem. Amor und Venus, die miteinander tändeln.“ Sein Blick schweifte zurück zu ihr und ein verruchtes Lächeln malte sich in sein Gesicht. „Ich freue mich schon darauf.“
Vor dem Louvre verabschiedete sich Jacques von Sophie und schlenderte gedankenverloren die Rue de Rivoli entlang. Immer wieder wies er mit unbekümmerten Worten Kurtisanen ab, die ihn unterwegs ansprachen, ebenso wie die Händler, die Hochzeitsandenken verkauften: Billigen Plunder, auf dem die Initialen des glücklichen Paares prangten, österreichische Naschereien und kleine Flaggen, mit denen man am großen Tag winken konnte.
Sophie. So liebreizend. So pflichtbewusst. So zurückhaltend … Bis er sie küsste. Ihre Erwiderung darauf war überwältigend gewesen. Seine Lenden pochten immer noch ob der Erinnerung an ihre süßen, geöffneten Lippen, ihre festen wohlgerundeten Brüste, die sich so verführerisch an ihn schmiegten.
Immer noch in Gedanken versunken kehrte er heim. Und zwar nicht etwa in eine spärlich möblierte, ärmliche Künstlermansarde, sondern in ein luxuriöses Vierzimmer-Apartment in der Rue du Faubourg Saint-Honoré.
Sein besorgter Kammerdiener warf einen missbilligenden Blick auf
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