HISTORICAL EXCLUSIV Band 14
Unbehagen nahm Hayden auf einem der vor dem Schreibtisch stehenden Stühle Platz.
„Sagen Sie, Reed, kommen Sie immer so spät, wenn Sie keine Verabredung vorgemerkt haben?“ Cookson warf einen Blick in den gebundenen Terminkalender.
„Selbstverständlich nicht, Sir. Ich … ich hatte heute Morgen bereits ein Treffen auf dem Anwesen der Shaws, um zu hören, ob Victoria sich noch an irgendetwas Wichtiges erinnert, das in meinem Bericht erwähnt werden muss“, log Hayden.
„Wie geht es Ihrer Verlobten?“, erkundigte sich Cookson. „Ich hoffe, sie erholt sich rasch.“
„Jawohl, Sir, obschon die Ereignisse – und auch ihr Zusammensein mit Jed Kinkaid – sie sehr mitgenommen haben. Der Mann benimmt sich leider nicht wie ein Gentleman.“
„Sie mögen den Burschen nicht, was, Reed?“
„Nein, Sir. Ich halte den Amerikaner für einen Angeber, dem es gefällt, ständig sein eigenes Loblied zu singen.“
„Haben Sie mich deshalb nicht über seinen Verdacht bezüglich des Auftretens des Mahdis und der Waffenansammlung informiert?“ Cookson sprach jetzt mit rasiermesserscharfer Stimme. „Nun? Ich habe Sie etwas gefragt. Antworten Sie!“
„Nein, Sir, Kinkaid sagte nicht …“ Hayden sah Cooksons zornigen Blick und änderte schnell seine Rede. „Das heißt, er machte einige lachhafte Andeutungen über etwas, das er gesehen hatte, doch damit konnte ich Sie nicht guten Gewissens belästigen.“
„Ach nein?“
„Sie wissen doch, dass immer wieder die eine oder andere Gruppe unter den Einheimischen mit einer Revolte droht, die dann niemals stattfindet.“ Unauffällig lockerte Hayden seinen Hemdkragen. „Weshalb sollten wir glauben, dass es jetzt anders wäre?“
„Ich weiß zwar nicht, worin Ihre Aufgabe besteht, doch sicher nicht darin, die für mein Büro bestimmten Berichte zu zensieren. Was davon an den Generalkonsul weiterzuleiten ist, bestimme ich allein. Sie, Reed, sind nur ein kleiner Befehlsempfänger. Habe ich mich klar ausgedrückt, oder wollen Sie es noch schriftlich haben?“
„Nein, Sir, und ich bin Ihnen dankbar dafür, dass Sie über mein Fehlverhalten nachsichtig hinwegsehen.“
„Das habe ich nicht gesagt“, stellte sein Vorgesetzter richtig. „Dennoch werden Sie sich jetzt mit Kinkaids Einlassungen befassen. Ich werde mich mit Generalkonsul Malet zwei Wochen in Alexandria aufhalten. Bei meiner Rückkehr erwarte ich Ihren vollständigen Bericht mit detaillierten Angaben über das Pulvermagazin.“
„Sie wollen, dass ich nach Khartum reise?“ Allein der Gedanke entsetzte Hayden schon.
„Nicht notwendigerweise. Sie können auch eine Mannschaft von Kundschaftern aussenden, um in Erfahrung zu bringen, wie viele Gewehre der Mahdi hat.“
„Sir, es ist doch möglich, dass Kinkaids Geschichte ohne jeden Wahrheitsgehalt ist und nur erfunden wurde, damit er wie ein Held dasteht.“
„Dafür hat schon die Befreiung Ihrer Verlobten gesorgt“, bemerkte Cookson und erhob sich. „Lassen Sie sich nicht von persönlichen Abneigungen leiten, Reed, sondern nehmen Sie sich der Sache gründlich an, wenn Sie wollen, dass ich Ihre Inkompetenz mit Nachsicht betrachte.“
Das waren gallebittere Worte, die noch schlimmer dadurch wurden, dass Kinkaid für die Situation verantwortlich war. Dafür wird er büßen, dachte Hayden.
Nachdem Victoria der Kutsche ihres Vaters entstiegen war, strich sie sich den Rock ihres Abendkleids glatt und blieb nervös vor dem beeindruckenden Haus im europäischen Sektor Kairos stehen, in dem die Gesellschaft stattfinden sollte. Sie hatte nicht das geringste Verlangen, daran teilzunehmen. Früher stellten solche Veranstaltungen für sie einen wichtigen Bestandteil ihres Lebens dar, doch seit Jeds Kuss von gestern Abend hatte sich für sie alles geändert.
Zöge sie sich jedoch von der Gesellschaft zurück, würde dies den ohnehin seit ihrer Entführung über sie kursierenden Gerüchten neue Nahrung geben. Also legte sie ihre Hand auf den ihr von Hayden angebotenen Arm, setzte ein Lächeln auf und ließ sich von ihrem Verlobten hinter ihren Eltern her die wenigen Stufen zu dem breiten Säulengang vor der Stanford- Villa hinaufgeleiten. Die Tür wurde geöffnet. Das strahlende Licht der vielen Kristalllüster fiel über die Schwelle, und leise Musik schwebte in die Nacht hinaus.
„Du siehst heute ausnehmend liebreizend aus“, flüsterte Hayden ihr ins Ohr. Das waren zwar galante Worte, sie hörten sich jedoch nicht besonders freundlich an. Überhaupt –
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