HISTORICAL EXCLUSIV Band 17
nicht kennen würdest. Als sie letzte Woche kam, um nach dir zu sehen, habe ich sie überhaupt nicht erkannt. Aber in der Nacht, als der kleine Charlie geboren wurde …“
„Moment!“ Varina sah ihn verwirrt an. „Du hast es die ganze Zeit gewusst und mir nicht erzählt?“
„Ich wollte schon. Aber Sarah hatte dir gerade das Leben gerettet. Du warst nicht in der Lage, zuzuhören, geschweige denn, zu glauben, was du erfährst.“
Varina machte beim Nachdenken eine krause Stirn. „Du kanntest Sarah also in Richmond. Das hast du mir nicht erzählt … Donovan, du hast sie geliebt, nicht wahr?“
Bei den Worten stockte ihm der Atem. „Hör zu, Varina.“
„Nein, jetzt hörst du mal zu! Ich kenne dich mein Leben lang, Donovan Cole, dies ist die einzige Erklärung für dein seltsames Benehmen. Du hast sie geliebt, und ich verwette meinen Kopf, dass du es immer noch tust.“
„Jetzt reicht es, Varina!“ Donovan wurde richtig wütend. „Verdammt, wenn ich es dir sage. Sarah war nicht meine Geliebte in Richmond, sondern Virgils.“
„Virgils?“ Varina machte große Augen, als sie begriff. „Sarah war seine Freundin, sie ist Lydia?“
Jetzt war Donovan sprachlos. Wie betäubt starrte er seine Schwester an.
„Die Kiste“, sagte Varina schnell. „Auf ihrem Boden liegt unter Charlies Anzug ein Bündel Briefe. Hol sie mir bitte.“
Donovan zögerte, plötzlich wusste er, was Varina ihm zeigen wollte. Natürlich hatte Virgil ihr während des Krieges geschrieben. Natürlich hatte er ihr dann auch von Lydia berichtet. Aber seine Worte zu lesen, das war wie in alten Wunden herumwühlen. Schon der Gedanke war mehr, als er ertragen konnte.
Varinas kleiner Sohn wand sich in ihrem Arm. Seine Wimpern sahen golden aus, die Wangen wie frische Pfirsiche. Wenn er älter wäre, würde er große Ähnlichkeit mit Virgil haben. Schon jetzt hatte er dasselbe feuerrote Haar und die schöne Haut, reckte auf die gleiche Weise das Kinn vor. Vielleicht hatte er sogar dessen eifrige, leidenschaftliche Natur geerbt.
Verdammt, er wollte nicht das lesen, was Virgil geschrieben hatte. Das qualvolle Gefühl, etwas sehr Wichtiges verloren zu haben, hatte er so lange in seinem Innersten mit sich herumgeschleppt, dass es über ihn hereinbrechen und ihn zerstören würde.
Varina wartete und wiegte das Baby sanft in den Armen. Etwas in ihrem Blick bewegte und ängstigte ihn zugleich. „Bitte, Donovan“, flüsterte sie.
Er wappnete sich gegen seinen Schmerz und hob den Deckel der stark beschädigten Reetkiste.
Wie Varina gesagt hatte, lagen die Briefe da, zusammengebunden mit einem schmutzigen Band, dem einzigen, das Varina wohl besaß. Sie fielen auf das Bett, als er den Knoten löste. Zwei Dutzend mochten es wohl sein.
Einige, nicht viele, trugen seine eigene Blockschrift. Dass Varina sie mit so viel Liebe aufbewahrt hatte, ließ ihn nun bedauern, dass er ihr nicht öfter einige Zeilen hatte zukommen lassen.
Ein anderer Brief fiel auf. Er trug eine schön geschwungene Handschrift – es war die seiner Mutter. Seine Kehle schnürte sich ihm zu, als er erkannte, dass sie ihn eine Woche vor ihrem Tod geschrieben hatte. Rasch legte er ihn beiseite. Er sah den restlichen Stapel durch und fischte die sechs oder sieben Schreiben heraus, die von Virgil stammten. Schon die unbeholfene Schönschrift auf den Umschlägen schmerzte ihn. Ihm fiel ein, wie er auf dem Friedhof kniete, um Virgils letzten Wunsch zu erfüllen, und den kleinen goldenen Verlobungsring auf dem Grab von Lydia Taggert deponierte.
„Such mal seinen letzten Brief“, bat Varina sanft. „Öffne ihn, und lies ihn mir vor.“
„Varina, ich glaube nicht …“ Er blickte in ihr Gesicht und sah, dass jede Diskussion überflüssig war. Während er sich innerlich gegen eine Flut bittersüßer Erinnerungen wappnete, suchte er den letzten Brief heraus und entnahm ihm ein einzelnes Blatt, das von beiden Seiten beschriftet war. Die Knicke waren vom vielen Auseinanderfalten ganz brüchig geworden.
Voller Furcht vor Schmerz zögerte er nochmals. „Lies ihn“, drängte Varina ihn. „Ich möchte, dass du ihn laut vorliest.“
Donovan schluckte. Weil er so zitterte, verschwamm ihm die Schrift vor den Augen.
„Mach dir keine Sorgen, es ist kein langer Brief“, fügte sie freundlich hinzu.
Donovan räusperte sich und begann.
Liebste Varina,
mir bleibt heute Nacht nicht viel Zeit zum Schreiben. Es ist schon spät, und wir brechen in der Morgendämmerung auf. Wie es
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