HISTORICAL EXCLUSIV Band 21
war der Mann ein begabter Schauspieler oder er hatte wirklich keine Ahnung. Letzteres wollte sie nicht akzeptieren. „Es ist offensichtlich, dass Sie Lady Culpepper nicht mögen.“
Der Vikar unterbrach sie mit einem empörten Schnauben. „Ich hasse die ganze Gesellschaft, es sind doch alles Lügner und Heuchler, die uns mit ihrem Reichtum beherrschen“, sagte er, wobei er dem Marquess einen Seitenblick zuwarf. „Aber ich habe die Kette nicht gestohlen. Wie auch? Ich war die ganze Zeit auf dem Ball und bin keine Mauer hochgeklettert. Wenn Sie mich fragen, so glaube ich, dass das verdammte Ding nie verschwunden ist. Die alte Hexe will wahrscheinlich nur die Versicherungssumme kassieren, während sie das Stück verkauft.“
Georgiana erinnerte sich, dass dies nicht das erste Mal war, dass sie Hawkins eine solche Theorie äußern hörte, und da sie eine unparteiische Detektivin war, musste sie diese Möglichkeit in Betracht ziehen.
Zum Glück übernahm nun ihr Assistent die Führung. „Vielleicht könnten Sie so freundlich sein und uns sagen, wo Sie waren, als der Diebstahl geschah“, schlug Ashdowne vor.
Hawkins sah den Marquess mit unverhohlenem Hass an. „Warum sollte ich, Mylord? Es waren noch viele andere Leute da. Jeder von ihnen hätte das Verbrechen begehen können. Trotzdem beschuldigen Sie mich. Wieso? Ist es Rache, weil ich mich offen gegen den Adel äußere? Oder steckt wieder Lord Fallow dahinter?“ Weiß vor Wut schaffte er es schließlich, seine Hose zuzuknöpfen. „Nun, das kann er mir nicht vorwerfen. Ich befand mich mit einer gewissen Dame in der Wäschekammer.“
Ashdowne hob spöttisch seine Augenbrauen. „Tatsächlich?“
„Tatsächlich“, erwiderte der Vikar. „Und wenn Sie glauben, dass ich lüge, dann fragen Sie doch die Frau selbst. Es war Mrs. Howard.“
Georgiana verblüffte sein Geständnis, denn sie kannte sowohl die Dame als auch Mr. Howard. Hawkins zeigte sich jedoch keineswegs beschämt. Er verdient es wahrhaftig, ausgepeitscht zu werden, dachte sie. Auch wenn eine Bestrafung, die er genoss, wenig Sinn hatte.
„Wenn Sie mich nun entschuldigen wollen“, sagte er nun und stapfte zur Tür. „Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mich in Zukunft in Ruhe ließen.“ Damit ging er, so würdevoll er konnte, hinaus, ohne freilich bemerkt zu haben, dass sein Hemd hinten über die Hose hing und hin und her flatterte.
Georgiana starrte ihm hinterher. Die Art, wie Hawkins mit wehenden Hemdschößen fortstolzierte, war zu viel für sie. Sie spürte, wie Gelächter unaufhaltsam in ihr hochstieg. Wer hätte je gedacht, dass der eingebildete Vikar eine käufliche Frau aufsuchte, um sich von ihr auspeitschen zu lassen? Es ist einfach zu lächerlich, dachte sie.
Sie versuchte, sich zu beherrschen, doch als sie sich zu Ashdowne wandte, wusste sie, dass es hoffnungslos war. Auch er konnte seine Belustigung kaum mehr verbergen. Sobald sich die Tür hinter dem Vikar geschlossen hatte, fielen sie einander in die Arme und lachten, bis ihnen die Tränen kamen.
Als das Gelächter allmählich abklang, sank Georgiana sichtlich in sich zusammen. Sie erinnerte an eine Treibhauspflanze, die man zu lange dem kalten englischen Klima ausgesetzt hatte. Ihre Schultern sanken nach vorn, ihr Lächeln verschwand, und Ashdowne hatte das Gefühl, als würde die Sonne untergehen. Er hätte sie gern in die Arme genommen, um sie davon zu überzeugen, dass sie Hawkins und die gestohlene Halskette vergessen sollte. Doch er wusste, dass das Arbeitszimmer einer Dirne kaum der passende Ort für eine derartige Ablenkung war.
Natürlich hätte ein echter Gentleman ihr niemals erlaubt, in diese Gegend zu kommen, von einem Etablissement wie diesem ganz zu schweigen. Aber er hatte sich noch nie als Gentleman betrachtet. Es war ihm nicht im Geringsten peinlich, dass sie gesehen hatte, was hier vorging. Es amüsierte ihn vielmehr ebenso wie Georgiana.
Sie war auch nicht der Typ Frau, den er vor der Welt schützen musste, wie das bei seiner fragilen Schwägerin der Fall war. Anne wäre beim Anblick eines nackten männlichen Hinterteils in Ohnmacht gefallen. Was passiert wäre, wenn sie die Dirne gesehen hätte, die ihren Kunden auspeitschte, ließ sich gar nicht ausmalen. Die meisten wohlerzogenen jungen Damen, allesamt langweilige Wesen, wären entsetzt gewesen; aber Georgiana war da völlig anders. Sie stürzte sich ins Leben und wollte es rückhaltlos kennenlernen. Es dürstete sie nach Wissen und gelüstete sie nach
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