HISTORICAL EXCLUSIV Band 23
legte den Arm über die Klinke der Außentür. „Gestern …“
„Was ist mit gestern?“ Seraphina begegnete mit kühler Gelassenheit seinem Blick. Der Earl sollte auf keinen Fall merken, wie tief er sie am Tag zuvor verletzt hatte.
„Ihr solltet nicht zu ernst nehmen, was ich gesagt habe … und getan habe in der Hitze des Streites. Es hatte nichts zu bedeuten.“
„Das habe ich auch nicht angenommen“, entgegnete Seraphina unnahbar. Wenn nichts anderes, so hatte sie doch inzwischen zumindest das eine gelernt, nämlich dass Liebkosungen und Zärtlichkeiten für den Earl nichts weiter waren als eine spezielle Art der Unterhaltung.
„Ich bin sehr froh darüber.“ Die Erleichterung in seiner Miene traf sie ins Herz. „Es gibt zwischen uns zu viele Missverständnisse.“
„Ich glaube, ich verstehe alles besser, als Ihr annehmt.“
„Wirklich?“ Der Earl war überrascht, doch als er den düsteren Ausdruck auf ihrem Antlitz bemerkte, stöhnte er verärgert auf. „Ich meinte nicht …“
„Ihr scheint nur selten das zu sagen, was Ihr wirklich meint“, unterbrach Seraphina ihn kühl. Dann wandte sie den Blick ab. „Wenn Ihr mich jetzt freundlicherweise durchlassen würdet …“
Sie wartete darauf, dass Heywood die Tür freigab, doch er schien zu Stein erstarrt und sah sie eindringlich an.
„Euer Haar? Wollt Ihr es wirklich so tragen?“
„Ja“, stieß Seraphina hervor, ohne ihn anzuschauen.
„Wie ein Mädchen? Bedeutet das, dass Sherard niemals …“ Der Earl ließ den Arm sinken.
„Niemals“, gab Seraphina schroff zurück. „Und es kümmert mich nicht, dass die Welt es auf diese Weise erfährt!“
Noch ehe der Earl ein Wort darauf erwidern konnte, hatte sie schon ihre Röcke gerafft und sich an ihm vorbeigedrängt.
Seraphina starrte auf die glitzernde Schar der Höflinge, die den Raum füllte. Es war ihre Hochzeitsfeier, und außer ihren Eltern und noch ein paar wenigen Personen waren ihr die Gesichter der Gäste unbekannt. Sie wünschte, der Earl wäre noch neben ihr auf dem geschmückten Ehrensitz, aber er sprach gerade mit einigen Herren, die sie nie zuvor gesehen hatte. Bald würde es Zeit sein für die feierliche Zeremonie, mit der die jungen Eheleute in das gemeinsame Bett gebracht wurden. Noch nie hatte sie sich so verlassen gefühlt, noch nie so viel Angst gehabt, sich zum Narren zu machen. Doch zumindest war die Königin nicht anwesend. Sie hatte zwar der Trauung in der Kapelle beigewohnt, bald aber war sie von dringenden Staatsgeschäften abgerufen worden. Für diesen Umstand musste Seraphina dankbar sein und auch dafür, dass Elizabeth ihren Eltern nichts von dem Zwischenfall in Heywoods Zelt erzählt hatte.
Tief in Gedanken versunken, hatte Seraphina nicht bemerkt, dass Grace an sie herangetreten war. Mit bleichem Gesicht stand sie vor ihr und war wunderschön ansehen in ihrem Gewand aus lichtblauem Brokat. Was will sie nur schon wieder? überlegte Seraphina unwillig. Sie hatte gehofft, ein Gespräch mit ihr vermeiden zu können, nie wieder mit ihr …
„Wie konntest du das tun, Seraphina!“, sagte Grace vorwurfsvoll.
„Was meinst du denn?“, entgegnete Seraphina unbekümmert, denn der Wein, den sie an diesem Abend zu sich genommen hatte, war ihr schon ein wenig zu Kopf gestiegen.
„Edmunds Gedächtnis beschimpfen“, erwiderte Grace in heller Verzweiflung. „Du trägst dein Haar offen, als wärest du ein Mädchen … wärest niemals verheiratet gewesen! Weißt du überhaupt, was die Leute jetzt über ihn reden?“
„Sie sagen wahrscheinlich die Wahrheit.“ Seraphina lachte erregt. „Und in einer Stunde wird der ganze Hof wissen, was er mir außerdem angetan hat, wenn man mich auskleidet und zu Bett bringt! Warum soll er nicht seinen Anteil haben an dieser Demütigung?“
„Du warst seiner niemals wert“, murmelte Grace mit düsterer Miene.
„Aber du warst es, nicht wahr?“ Seraphina zog zornig die Brauen zusammen. „Man hat mir berichtet, dass du liebend gern sein Bett geteilt hättest.“ Grace’ Lippen begannen zu zittern und entfärbten sich, aber Seraphina trotzte dem wütenden Blick aus den tiefblauen Augen ihrer Gegnerin. Tief im Innern hoffte sie, Grace würde ihre schmale weiße Hand gegen sie erheben, damit sie es ihr mit gleicher Münze heimzahlen konnte.
Doch Grace widerstand dieser Herausforderung und senkte traurig den Blick. „Ich begreife nicht, wie du so etwas sagen kannst“, flüsterte sie gekränkt. „Nach allem, was ich für
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