Historical Exklusiv Band 06
den Kopf. Heute war er erneut vor den Leuten in Deal und vor Rosalind gedemütigt worden, als wäre er ein unnützer, dummer Junge. Seit heute gab es noch einen Menschen, den er hasste. Obwohl sich Percy nichts würde anmerken lassen, wollte er nun auch des Königs vornehmen Lord Lieutenant, diesen selbstgefälligen Nicholas Spencer, zugrunde richten!
Rosalind hatte sich dazu gezwungen, am nächsten Morgen zusammen mit ihren Freunden dem feierlichen Umzug von Lord Lieutenant Spencer auf die Festung beizuwohnen. Wenn man an die bejammernswerte Ankunft in Deal dachte, so wurde sie durch die Großartigkeit dieses Auftretens mehr als wettgemacht. Es erzürnte sie, zusehen zu müssen, wie die prächtigen Wimpel an den Lanzen auf dem Weg durch Dorf und Tal zur Festung zur Schau gestellt wurden. Ein Trommler führte die Prozession von zwanzig Mann in silbrig glänzenden Brustpanzern auf schweren Streitrössern an.
Mit seinen breiten Schultern, dem ebenholzfarbenen Haar, das fast bläulich in der Sonne schimmerte, den wehenden Federn an seinem Barett, dem vergoldeten, reich geschmückten Stab des Festungskommandanten in der Faust, gab Nicholas Spencer auf seinem kräftigen Rappen ein eindrucksvolles Bild ab. Sein Blick streifte Rosalind beim Vorüberreiten, so als sei sie wie auch das ganze Dorf sein Eigentum. Die Pest über ihn! Das Kinn hielt er stolz vorgereckt und die Nase, die inzwischen fast geheilt war, hochmütig emporgehoben. Warum nur hatte sich Rosalind um sie gekümmert und ihn damit wieder so ansehnlich gemacht!
Das eindrucksvolle Schauspiel spiegelte deutlich die königliche Macht wider, die der Lord Lieutenant und seine Leute repräsentierten. Der letzte Trupp Bewaffneter, der damals in Deal gewesen war, hatte ihre Boote zerstört. Aber Meg hatte vielleicht doch einen weisen Rat gegeben. Zweifellos konnte man mit Zucker mehr Spinnen fangen, auch solche gut aussehenden und hartgesottenen, als mit Essig. Vielleicht war es wirklich an der Zeit, Nicholas Spencer für ihre eigenen Zwecke einzuspannen.
Es gab nur wenig Beifall und Hochrufe, doch aufgeregte Kinder und bellende Hunde begleiteten den Zug den ganzen Weg bis zu den emporwachsenden Mauern der Festung. Von dort aus, so erfuhr Rosalind später, hatte Nick eine mitreißende Rede gehalten und ein anderes Stück aus dem Brief des Königs verlesen. Dann hatte sich der Zug aufgelöst, und die Werkleute waren an ihre Arbeit zurückgekehrt.
Den ganzen Tag über schmiedete Rosalind an ihrem Plan. In der Abenddämmerung, als die Muhme und Meg zu der Familie von Hal gegangen waren, richtete sie sich schön her. Sie nahm reichlich von dem Fliederwasser und gab sich große Mühe, ihre widerspenstigen Locken ordentlich und sittsam aufzustecken, aber in einem plötzlichen Einfall drapierte sie ein paar davon über Stirn und Schläfen. Dann wählte sie ihr zweitbestes Gewand aus gelbbraunem Samt. Es hatte eine Rüsche um den viereckigen Ausschnitt über dem knappen bestickten Mieder und vielfach geschlitzte Ärmel. Sie krönte ihren Putz mit einem ziselierten Medaillon an einer silbernen Kette und passenden Ohrringen, ein Schmuck, der von ihrer Mutter stammte. Trotz seiner Bescheidenheit war dies der schönste von ganz Deal.
Rosalind hatte sich vorgenommen, wie von ungefähr mit Nicholas Spencer zusammenzutreffen, wenn er am Abend heimkehrte, und ihn dazu zu bringen, sie für morgen auf die Veste einzuladen. Heute musste ihr das gelingen, denn morgen landeten die Schmuggler in der Nähe, und Nick musste in dieser Zeit beschäftigt sein. Sie würde ihm zu seinem großartigen Umzug gratulieren und zu der leichten Art, wie er mit der von Percy Putnam verursachten Aufregung fertig geworden war. Sie würde lächeln und liebenswürdig zu ihm sein. Heute oder binnen kurzem wollte sie herausbekommen, wie des Königs Anweisungen in Bezug auf die Schmuggler lauteten. Aber am wichtigsten war natürlich morgen die Zeit nach Anbruch der Dunkelheit, in der die Franzosen die Waren an Land brachten. Ungeduldig begab sich Rosalind in das Obergeschoss, um an einem dunklen Fenster Nicks Heimkehr zu erwarten.
4. Kapitel
Die Dämmerung war schon hereingebrochen, als Nicholas zurück zum Gasthof "Rose und Anker" ritt. Alles in allem war er mit dem Verlauf des Tages zufrieden, denn er hatte nun endlich einen wesentlichen Teil seiner Aufgaben hier in die Hand genommen. Der Aufbau der Festung war beschleunigt und das Kommando im Namen des Königs übernommen. Nun brauchte er nur
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