HISTORICAL JUBILÄUM Band 03
Ambrosia.“ Sein Atem kam stoßweise. „Du willst das hier doch genauso sehr wie ich.“ Jetzt erst erkannte er, wie nahe sie daran gewesen waren, eine unsichtbare Grenze zu überschreiten. Und wie inständig und drängend er sie wollte.
„Ja, das dachte ich auch.“ Ambrosia war viel zu ehrlich, um ihre Gefühle zu leugnen. „Aber ich … ich brauche noch etwas Zeit. Ich muss erst gründlich nachdenken.“
Mit so viel Selbstbeherrschung, wie er gerade noch aufbringen konnte, erhob sich Riordan. „Dann werde ich dich jetzt deinen Gedanken überlassen.“
Ambrosia schenkte ihm ein verzagtes, gleichzeitig ein wenig schalkhaftes Lächeln, bei dem ihm wieder ganz seltsam ums Herz wurde. „Ich hoffe sehr, dass du mir von irgendjemandem ein Hemd besorgen kannst. Oder hattest du vor, mich bis ans Ende unserer Reise hier in deiner Kajüte zu lassen?“
Riordan hatte sich wieder einigermaßen gefasst und brachte sogar ein Lächeln zustande. Er konnte Ambrosia eben einfach nicht widerstehen. „Ich denke, das lässt sich machen.“ Er öffnete seinen Seesack und zog ein Hemd aus festem weißem Leinen hervor. „Eines ist sicher“, erklärte er und reichte Ambrosia das Kleidungsstück, „es wird an dir um ein Vielfaches besser aussehen als an mir.“ Nach einem letzten verlangenden Blick verließ er schnell die Kajüte.
Sowie die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen war, stand Ambrosia hastig aus der Koje auf. Gleich darauf musste sie sich an dem Stuhl festhalten, denn ihr wurde plötzlich schwindlig. Diese Schwäche fand sie durch und durch beunruhigend und auch ärgerlich. In ihrem ganzen Leben war sie noch niemals wirklich krank gewesen, sodass sie das Bett hätte hüten müssen.
Als Ambrosia mit Ankleiden fertig war, fühlte sie sich deutlich kräftiger als zuvor. Das hätte ihr gerade noch gefehlt, vor all den anderen womöglich schlappzumachen.
„Land’s End geradeaus!“, rief Newton und wies mit dem Finger in die entsprechende Richtung. „Da drüben sehen Sie Mary-Castle, Captain.“
Riordan war dankbar für die frische Seeluft. Sie half ihm, wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Zwar brauchte er Ambrosia so dringend wie zuvor, doch wenigstens konnte er sich beherrschen. „Ja, ich sehe es auch, Newt.“
Ambrosia war an Deck aufgetaucht und sah wunderschön aus in dem schneeweißen Hemd und den dunklen Hosen, die sie in eng anliegende Stiefel gesteckt hatte.
Er wandte sich zu ihr um und genoss ihren Anblick. Sie hielt das Gesicht in den Wind, als könnte sie nicht genug von der salzhaltigen Luft bekommen. Ohne das Tuch um den Kopf flatterte ihre schwarze Haarpracht in der Brise. Stolz und sicher bewegte sie sich auf dem schwankenden Schiff.
Wie der geborene Seemann, dachte Riordan und musste unwillkürlich lächeln. Dabei hielt er das Ruder fest und sicher. Bald würden sie die gefährlichen Untiefen in der Nähe des Ufers erreichen.
Newton beobachtete ihn unverwandt. So mancher Kapitän hatte sich kurz vor Erreichen seines Ziels zu unvorsichtigem Verhalten verleiten lassen, nur um dann nahe Land’s End auf tief im Wasser liegende Felsen aufzulaufen und sein Schiff zu verlieren. Doch Riordan blieb in hohem Maße wachsam.
Der alte Mann stellte sich dicht neben Riordan. „Sie kann einen Mann leicht von seiner Aufgabe ablenken, nicht wahr?“ Er deutete mit einem Kopfnicken auf Ambrosia.
„Ja, sie ist sicher eine Ablenkung, und im Moment eine höchst angenehme.“ Ohne Newtons überraschten Gesichtsausdruck zu beachten, rief er: „Matrose Lambert!“
„Ja, Captain?“
„Ich möchte, dass du das Steuer übernimmst“, sagte Riordan und freute sich darüber, wie sie ungläubig die Augen aufriss.
Ohne Widerrede stellte sie sich jedoch an seinen Platz und ließ es zu, dass er dicht hinter ihr stehen blieb. Sie umfasste das Steuerrad mit beiden Händen und fragte halblaut über die Schulter hinweg: „Warum tust du das, Riordan?“
„Ich habe mir gedacht, dass dein Großvater und deine Schwestern das große Vergnügen haben sollten zu sehen, wie du die Undaunted hereinbringst. Schließlich ist sie dein Schiff.“
Mit nichts hätte er ihr eine größere Freude bereiten können.
„Sieh mal, dort drüben!“ Riordan deutete zum Haus hinüber, und Ambrosia sah ihre Familie auf dem Balkon, dem Widow’s Walk , stehen.
Umsichtig und gekonnt lenkte sie den Segler durch die Untiefen und um die Felsen herum bis zu der kleinen Bucht, wo die Anker geworfen wurden. Jetzt erst bemerkte Riordan, dass
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