Historical Lords & Ladies Band 38
einem gerippten Seidenband zurückgebunden. Sein Gesicht hatte sich nicht verändert. Es war noch so streng und harsch wie immer. Cassie konnte nicht wissen, dass er noch die Fechtkleidung trug. Bei ihrem Eintritt verneigte er sich, und zwar so tief, dass sie glaubte, er mache sich leicht über sie lustig. Sicher war sie jedoch nicht. Nun, dieses Spiel konnten auch zwei Leute spielen.
„Kann ich Ihnen in irgendeiner Weise behilflich sein, Miss Merton?“
Ja, er machte sich über sie lustig. Hatte er erraten, dass sie mit dem Beschluss heruntergekommen war, mit ihm zu reden? Und was sollte sie sagen, jetzt, da sie hier war? „Ich war ein wenig rastlos, nachdem ich mich zurückgezogen hatte. Ich beschloss zu lesen, merkte jedoch, dass ich das Buch vergessen hatte.“ Das stimmte, denn sie hatte es absichtlich im Salon liegen lassen.
„Dieses?“, fragte John und nahm es aus dem Sessel, in dem sie gesessen hatte.
„Ja, Mr Hunt hat es mir empfohlen“, antwortete sie steif. Eigentlich war sie nicht heruntergekommen, um mit ihm über das Buch zu reden. Aber weswegen war sie heruntergekommen? Mr Dickson stand auf. Sie fand, er sehe müde aus. Er verneigte sich vor ihr, aber nicht so tief wie der Earl, und etwas ehrerbietiger.
„Ich lasse Sie allein“, sagte er. „Zweifellos haben Sie viel zu besprechen.“
Sie fand, die Miene Seiner Lordschaft drücke aus, dass er ihr nichts zu sagen hatte, so gleichgültig war sein Gesichtsausdruck. Sie war verärgert. Es war schändlich, dass er sie sowohl in ihren Gedanken als auch in ihren Träumen beschäftigte. Er hingegen bemerkte kaum, dass sie existierte, obwohl sie schon bald seine Gattin werden sollte.
„Du musst nicht gehen, Dickie, wenn du das nicht willst“, sagte er gedehnt. „Ich bin sicher, Miss Merton hat nichts dagegen, wenn du bleiben möchtest.“
Der Blick, den Dickie ihm zuwarf, war vorwurfsvoll. Mr Dickson hob die buschigen Brauen und verschwand.
John wies auf einen Sessel.
Sie schüttelte den Kopf und sagte so steif wie vorher: „Ich bin nicht hergekommen, um zu bleiben.“
„Ja, das weiß ich“, murmelte John. „Sie kamen her, um das hochinteressante Buch zu holen. Bitte, verzeihen Sie, wenn ich Ihnen das nicht glaube. Wären Sie das unschuldige junge Geschöpf, für das Dickie Sie hält, wären Sie überhaupt nicht hier. Mitten in der Nacht mit mir allein. Sie sollten wirklich etwas wachsamer vor mir sein. Alle Ihre Verwandten und Ihre Gouvernante würden Ihnen raten, den wilden John Lockhart zu meiden, bis Sie sicher unter der Haube sind.“
„Sie wissen jedoch nicht, was ich weiß, nicht wahr?“ Cassie hatte die Stimme so ruhig wie möglich gehalten. Der Earl war wirklich hassenswert. Er nahm sie kaum zur Kenntnis und sah in ihr kaum mehr als jemanden, den er wie einen Gegenstand benutzte. „Das heißt“, fügte sie an, „falls Sie wirklich meinten, was Sie sagten. Wir haben unseren Handel mit Handschlag besiegelt. Haben Sie schon beschlossen, ihn rückgängig zu machen? Wenn ja, werde ich Abstand davon nehmen, und Sie können sich nach einer anderen jungen Frau umsehen, die Ihre noch unberührte Gattin wird.“
„Nein, ich gedenke, unseren Handel einzuhalten, und als ich sagte, dass Sie nicht mehr unschuldig sind, meinte ich nur, dass Sie sehr gut wussten, was Sie taten, als Sie mich akzeptierten. Ich meinte keineswegs, dass Sie in irgendeiner Hinsicht erfahren sind. Überzeugen Sie mich, dass Sie nicht in der Absicht heruntergekommen sind, mit mir zu reden.“
„Nein, weil es genau das ist, was ich bezweckte“, erwiderte Cassie herausfordernd. „Sie sollten den Anstand haben, gelegentlich mit mir zu reden. Niemand sonst spricht mit mir.“ Sie hatte nicht vorgehabt, das zu sagen. Das roch nach Selbstmitleid.
„Niemand?“, fragte er langsam und betont. „Sie meinen, außer Ihrer Gesellschafterin?“
„Miss Strood. Ihr Name lautet Miss Strood. Ja, sie redet mit mir. Sie hat ebenso einen Namen wie ich und Sie.“
„Oh, ich habe so viele Namen, dass ich Schwierigkeiten habe, mich bei bestimmten Gelegenheiten an den zu erinnern, den ich gerade benutze“, sagte er, und in seiner Stimme hatte jetzt Heiterkeit mitgeschwungen. „Aber Sie haben recht, mich zu tadeln. Also, man ächtet Sie, weil Sie mich heiraten wollen.“
Die Gleichgültigkeit war aus seinem Ton gewichen. Er war verärgert. Und Cassie wusste, wenn er verärgert war, konnte er furchterregend sein. Gott sei Dank, dass er nicht auf sie verärgert war.
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