Historical Lords & Ladies Band 39
Nachbarn und natürlich Roberts Verwandte, denen gegenüber sie sich keine Fehler erlauben durfte.
„Jetzt sind es also noch etwa zwanzig Meilen bis Delaval?“, vergewisserte sie sich.
Ihr Gatte nickte. „Ja. Wir befinden uns im Moment in der Nähe von Burford. Auf der anderen Seite der Stadt erstreckt sich Merlin’s Chase, der Landbesitz des Duke of Merlin. Wenn wir ihn morgen erreichen, wenden wir uns nach Norden und …“
Jemima hörte nicht, was Robert noch sagte. In ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Der Duke of Merlin, oh Gott! Tillys Vormund! Mir war nicht klar, dass sein Besitz Merlin’s Chase so nahe bei Delaval liegt! Was soll ich nur tun, wenn Tilly mir nun doch begegnet?
„Ich dachte“, brachte sie mit schwacher Stimme heraus, „dass der Duke in Gloucestershire lebt.“
„Einen Teil des Jahres verbringt er auf seinen dortigen Gütern, das stimmt. Aber Merlin’s Chase … Jemima, ist alles in Ordnung mit dir? Du siehst plötzlich ein bisschen blass aus.“
„Tatsächlich? Ich …“ Zum Glück erschien in diesem Moment der Wirt mit dem Hammelragout. Erst als er sich wieder zurückgezogen hatte, fuhr sie fort: „Der Duke verkehrt vermutlich nicht mit gesellschaftlich niedriger Stehenden?“
Robert lachte. „Merlin ist überhaupt nicht hochnäsig, wenn du das meinst. Er ist übrigens mein Taufpate. Und sein Neffe Bertie Pershore ist einer meiner besten Freunde.“
Jemima musste ihre Gabel auf den Tisch legen, so sehr zitterte ihre Hand mit einem Mal. Verzweifelt suchte sie nach einer glaubwürdigen Erklärung für ihre unübersehbare Aufregung. „Ich habe einen Mann geheiratet, der einen echten Duke zum Paten hat? Oh Gott!“
„Mach dir deshalb keine Sorgen. Merlin ist wirklich ein netter Kerl. Er wird dir gefallen.“
„Aber ich werde ihm nicht gefallen. Ich gehöre nicht seiner Gesellschaftsschicht an – und auch nicht deiner, Robert. Hast du vergessen, dass ich die Tochter eines Schornsteinfegers bin?“ Das war im Hinblick auf ihre Ehe schlimm genug, viel schlimmer aber war, dass sie nur wenige Meilen von Tilly entfernt leben würde. Auf lange Sicht würde sie nicht umhinkommen, Robert die Wahrheit über das Kind zu erzählen. Zwischen Ehepartnern sollte es keine Geheimnisse geben. Aber …
„Glaubst du, wir könnten den Wirt bitten, den Kamin anzumachen?“, wechselte sie das Thema. „In diesen alten Häusern ist es oft sogar im Sommer kalt.“
Doch als man Mr Hinton das Anliegen vortrug, meinte er entschuldigend: „Der Kamin qualmt leider ganz furchtbar. Ich habe extra einen Schornsteinfeger aus Oxford kommen lassen, weil die Schankstube im Winter so verraucht ist, dass mir die Gäste fortlaufen. Der Mann hat mich eine Menge Geld gekostet. Aber genutzt hat es nichts.“
„Haben Sie schon versucht, eine Gans in den Kamin zu schicken?“, erkundigte Jemima sich. „Man sagt, wenn sie nach oben fliegt, befreit sie den verstopften Schornstein mit ihrem Flügelschlag vom Ruß.“
Ein wenig beschämt gab der Wirt zu, dass er zwar daran gedacht habe, dass jedoch die einzige Gans, die er besaß, das Lieblingstier seiner Frau Mary sei. „Und Mary hat diesen Plan rundweg abgelehnt.“
„Hm …“ Jemima leerte ihren Becher. „Dann könnten Sie es noch mit einem Gewehr versuchen.“
„Mit einem Gewehr?“
„Haben Sie eins, Mr Hinton?“
„Ja, natürlich.“
„Dann holen Sie es bitte. Und auch ein paar alte Laken.“
Hinton schaute verwirrt drein, gehorchte aber, als Robert ihm mit einer Geste zu verstehen gab, dass er den Wunsch der Dame erfüllen solle.
Wenig später kam der Wirt zurück. In der Hand hielt er eine alte Flinte. Gefolgt wurde er von einem Hund, vier Kindern und seiner Gattin, die ein paar Betttücher trug.
„Legen Sie die Laken unten in den Kamin“, befahl Jemima, „und davor auf die Erde. Eins sollte wie ein Vorhang vom Sims bis zum Boden reichen.“ Sie beobachtete, wie alles zu ihrer Zufriedenheit erledigt wurde. „Gut. Und jetzt, Mr Hinton, stellen Sie sich unter den Rauchabzug und feuern das Gewehr nach oben direkt in den Schornstein ab.“
„Mylady!“ Hatte er bisher nur verwirrt ausgesehen, so machte er nun einen regelrecht schockierten Eindruck.
„Soll ich das vielleicht für Sie übernehmen?“, erkundigte Jemima sich mit samtweicher Stimme.
Inzwischen waren auch die anderen Gäste näher gekommen.
Mit einem tiefen Seufzer stellte sich der Wirt auf die Feuerstelle und hob die Flinte. Ein Schuss fiel.
Das ganze
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