Historical My Lady Spezial Band 1 (German Edition)
wenn dein Verlobter sich zu uns gesellt.“
Grace sah ihre Tante ohne Begeisterung an. Sie befanden sich allein im Salon. Ihr Onkel hatte sich völlig vom gestrigen Unwohlsein erholt und war schon früh mit Lord Francis aufgebrochen, um zu überprüfen, wie weit die Reparatur der herzoglichen Kutsche vorangeschritten war. Dabei hatte der Duke die Absicht, Francis von ihrer Verlobung mit Lord Lucian zu unterrichten.
Als würde es ihr etwas ausmachen, ob Francis Bescheid wusste oder nicht! Nur ihre eigenen Gefühle machten ihr zu schaffen. Die Reaktion ihrer Tante und ihres Onkels, als sie sie in den frühen Morgenstunden in ihrem Schlafzimmer aufgesucht hatten, hatte sie in Unglauben und Entsetzen gestürzt. Sie hatten nicht auf ihren Protest gehört. Ihr Onkel hatte ihr versichert, wie glücklich sie sich schätzen durfte, einen solchen Mann für sich zu gewinnen, und wie reizend und weltgewandt Lord Lucian doch war. Von jetzt an stünden ihr alle Türen zur guten Gesellschaft weit offen.
Die Liste der Vorteile, die sie als Lucian St Claires Gattin genießen würde, schien endlos zu sein.
In ihrer Fassungslosigkeit hatte Grace lange keinen Schlaf gefunden, nachdem ihre Tante und ihr Onkel sie schließlich allein gelassen hatten. Sie hatte sich auf den Fenstersitz gekauert und grübelnd in die Dunkelheit geblickt, bis der Morgen dämmerte. Die ganze Zeit war es ihr unvorstellbar erschienen, dass tatsächlich ein neuer Tag auf diese Nacht folgte, wie immer, obwohl etwas so Bedeutsames, so Schreckliches geschehen war. Doch wie zum Hohn war die Sonne aufgegangen, als wollte sie der Verbindung ihren Segen geben.
Ihrer Verbindung mit Lord Lucian St Claire.
Selbstverständlich hatte er recht behalten mit seiner Vermutung, ihre Vormunde würden eine solche Partie mit Wohlwollen betrachten. Tatsächlich war ihre Tante sogar so weit gegangen, völlig zu vergessen, aus welchem Anlass diese Verlobung überhaupt nötig geworden war, und das Ganze zu einer Liebesheirat zu erklären.
Der einzige Segen der gestrigen Nacht war eigentlich gewesen, dass Lord Lucian nicht wieder in ihr Schlafzimmer zurückgekehrt war. Ein schadenfroher Lucian St Claire wäre mehr gewesen, als sie hätte ertragen können nach allem, was sie sowieso schon hatte durchmachen müssen! Und sie konnte seine demütigende Bemerkung über ihre „leidenschaftliche Natur“ nicht vergessen.
Vielleicht, weil sie noch immer völlig verwirrt von ihrer Reaktion auf ihn war …
Und wirklich war es vor allem der Gedanke, ihn wiederzusehen und den Spott in seinen dunklen Augen zu bemerken, der Grace jeden Appetit raubte. Den Tee, um den sie gebeten hatte, rührte sie ebenfalls nicht an.
„Entschuldige, Tante, ich habe nicht gehört, was du gesagt hast.“ Betroffen stellte sie fest, wie unaufmerksam sie gewesen war, während ihre Tante sorglos drauflosgeplaudert hatte. So völlig in Gedanken verloren, hatte sie womöglich das Datum für ihre eigene Hochzeit verpasst, vielleicht sogar, wohin die Hochzeitsreise gehen sollte!
„Ihre Tante bemerkte gerade, wie bedauernswert es doch ist, dass ich meine Reise zu meinem Bruder nach Gloucestershire fortsetzen muss, bevor ich nach London und an Ihre Seite zurückkehren kann“, warf Lucian gelassen ein, während er den Salon betrat.
Grace Hetherington, wie er stirnrunzelnd feststellte, war beim Klang seiner Stimme leicht zusammengezuckt. Kein besonders verheißungsvoller Anfang für ihre Verlobung, musste er sagen. Wenn auch begreiflich unter den Umständen.
Heute Morgen war Lucian in keiner guten Stimmung. Die Wirkung des Brandys und, nicht zu vergessen, der Schlag auf den Kopf machten ihm auch jetzt noch zu schaffen. Er wusste, dass er von seiner Familie nur wenig Mitgefühl zu erwarten hatte. Hawk, sein ältester Bruder, hatte sich schon seit einer ganzen Weile missbilligend über seinen, Lucians und Sebastians ledigen Zustand ausgelassen. Sebastian hatte er sogar an dessen voreiliges Versprechen erinnert, sich ernsthaft nach einer Gattin umzusehen, sollte Hawk jemals glücklich verheiratet sein. Bis jetzt hatte Sebastian es allerdings nicht geschafft, sein Versprechen einzulösen.
Lucian hatte sich ja überhaupt nur dazu überreden lassen, in dieser Saison den Begleiter seiner Schwester Arabella zu spielen, weil er sich seinerseits auf die Suche nach einer Frau hatte machen wollen – nach der sanftmütigen, gehorsamen Frau, die ihm vorschwebte. Einer Frau, die so völlig anders war als Grace Hetherington,
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