Historical Saison Band 16 (German Edition)
vorstellen, dass es sich seltsam für Sie anfühlen muss, in Zivilkleidung herumzulaufen, nachdem Sie so lange Uniform getragen haben.“
„Daran werde ich mich gewöhnen müssen. Auch daran, eine Krawatte zu binden. Zum Glück ist mein Kammerdiener ein Meister seines Fachs.“ Sie schwiegen eine Weile, während sie einen besonders belebten Straßenabschnitt durchritten. „Und Ihre Großmutter ist wohlauf?“, erkundigte er sich dann.
Belle schaute ihn verwundert an und fragte sich, aus welchem Grund er sie fragte. Wollte er etwas über die Reaktion der Countess erfahren, als sie über den Diebstahl der Halskette informiert worden war? Vorsichtig erwiderte sie: „Nein, meiner Großmutter geht es nicht besonders gut.“
Er warf ihr einen scharfen Seitenblick zu. „Ist sie krank?“
„Indisponiert“, erklärte Belle, die nicht zu viel preisgeben wollte. Umso besser, wenn er glaubte, ihre Großmutter habe sich aus Kummer über den Verlust der Diamanten zu Bett legen müssen. Allerdings bezweifelte sie, dass ein so gerissener Mann wie er, der Leute mit vorgehaltener Pistole ausraubte und sie in Todesangst versetzte, Mitleid mit einer alten Dame haben würde, die um ihr Eigentum trauerte.
„Es tut mir leid, das zu hören“, erklärte er und musterte sie mit durchdringendem Blick. „Ich hoffe, sie erholt sich bald wieder.“
„Das bezweifle ich. Sie ist zutiefst unglücklich, weil sie etwas verloren hat, an dem ihr Herz hing.“ Abgesehen davon, dass er die Augen leicht zusammenkniff, veränderte Lord Binghams Gesichtsausdruck sich nicht.
„Tatsächlich? War dieser Gegenstand … wertvoll?“
„Das kann man so sagen. Allerdings ist es eine Familienangelegenheit, und ich bin sicher, die Sache wird bald geklärt werden.“
Lance entschied, dass es klüger war, das Thema zu wechseln.
„Ich gebe heute Abend ein Essen und erwarte viele Gäste. Es würde mich sehr freuen, wenn Sie auch kommen könnten, aber ich fürchte, Sie werden Schwierigkeiten mit Ihrer Großmutter bekommen.“
„Ja, das werde ich wohl. Sie würde mir das niemals erlauben. Trotzdem vielen Dank für die Einladung.“ Sie waren nun schon einige Zeit geritten, und als sie den Ort erreichten, wo sie in der vergangenen Nacht überfallen worden war, brachte sie ihr Pferd zum Stehen und sah Lance an. Falls er glaubte, es habe etwas zu bedeuten, dass sie genau hier anhielt, so zeigte er es nicht. „Von hier aus komme ich sehr gut allein zurecht. Ich bin sicher, Sie haben Wichtigeres zu tun, als meine Eskorte zu spielen, Sir. Mein Reitknecht wird mich sicher nach Hause bringen.“
Lance runzelte die Stirn. „Was ist los, Belle? Sie waren ganz anders, als Sie gestern Abend bei unserem Abschied in Carlton House in meinen Armen fast dahingeschmolzen sind.“
Mit gespieltem Erstaunen riss Belle ihre grünen Augen weit auf. „Habe ich das wirklich fast getan? Gütiger Himmel, ich muss mehr Champagner getrunken haben, als ich dachte. Ich habe so viele Tänze mit so vielen unterschiedlichen Verehrern hinter mich gebracht, dass ich den Überblick verloren habe. Ich erinnere mich, mit Ihnen getanzt zu haben, und Sie waren nicht gerade der Inbegriff der Liebenswürdigkeit – ganz anders als meine übrigen Partner. Einige von ihnen waren weitaus begehrenswerter als Sie.“
„Wirklich?“, erkundigte er sich in eisigem Ton. „In welcher Hinsicht?“
„Zunächst einmal waren sie jünger als Sie“, erwiderte sie und bemühte sich, kühl und distanziert zu wirken. Sie hatte das Bedürfnis, diesen unerträglichen, hochmütigen Lord auf Lebensgröße zusammenzustauchen. „Ich habe entschieden, dass Sie viel zu alt für mich sind.“
Lance kniff die Augen zusammen. „Was, zur Hölle, sagen Sie da?“, zischte er. „Spielen Sie keine Spielchen mit mir, Belle, denn Sie werden herausfinden, dass Sie mir bei Weitem nicht gewachsen sind.“
Sie schaute ihn voller Unschuld an und erklärte in heiterem Ton: „Spielchen, Mylord? Ich spiele keine Spielchen. Falls ich irgendetwas gesagt haben sollte, womit ich Sie in die Irre geführt habe, bitte ich in aller Form um Entschuldigung.“
Als Lance antwortete, geschah es mit kalter Verachtung und gefährlich gesenkter Stimme. „Sie sind nichts als ein ganz gewöhnliches kleines Luder. Seien Sie vorsichtig, womit Sie versuchen, mich zu ködern“, murmelte er leise. „Ich bin keiner der verliebten Dummköpfe, die Nacht für Nacht um Ihre Aufmerksamkeit buhlen. Es könnte sein, dass ich mehr von Ihnen
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