Historical Saison Band 16 (German Edition)
sein wirst.“
„Ich weiß – und vielen Dank, Lance.“
Er zog seine breiten Schultern hoch. „Da der Tanz zu Ende ist, denke ich, es ist Zeit für uns, zu gehen.“
„Ja“, erwiderte Belle, die bemerkt hatte, dass es ihm unangenehm war, wenn sie ihm dankte.
„Dürfte ich vorschlagen, dass wir gemeinsam nach Wiltshire reisen, falls deine Großmutter früher als geplant nach Harworth aufbrechen will?“
„Es ist nicht nötig, dass du dir so viel Mühe machst. Außerdem haben wir noch einiges für die Hochzeit zu erledigen, bevor wir nach Harworth fahren können.“
„Wie du möchtest.“
Lance begleitete sie und die Countess zurück nach Hampstead. Nachdem ihre Großmutter ins Haus gegangen war, verabschiedete Belle sich von ihm. Eine Weile stand er still da und schaute sie an. Dann küsste er sie leicht auf die Lippen. Belle stellte enttäuscht fest, dass es sich mehr wie eine Pflichtübung als wie ein leidenschaftlicher Kuss von der Art anfühlte, an die sie sich bereits gewöhnt hatte. Schließlich drehte er sich auf dem Absatz um und ging mit langen Schritten zurück zur Kutsche.
Belle folgte seiner hochgewachsenen, kräftigen Gestalt mit ihren Blicken, bis er in den Wagen gestiegen war und dem Kutscher befohlen hatte, weiterzufahren. Sehnsucht schnürte ihr die Kehle zu, Tränen stiegen ihr in die Augen, und ein heftiger Schmerz umklammerte ihr Herz. Tief in ihrem Inneren wusste sie, dass Lance sie nicht heiraten wollte, doch sie hoffte von ganzem Herzen, dass sich das ändern würde, wenn sie in Wiltshire waren und Zeit hatten, einander besser kennenzulernen.
In den folgenden Tagen hatte Belle wenig Zeit, an Lance zu denken, denn sie war mit den Vorbereitungen für die Hochzeit beschäftigt. Dabei hatte ihr Brautkleid, eine zartblaue Kreation, absoluten Vorrang. Zwischendurch fragte sie sich, wie es zu alldem gekommen war. Zu Beginn der Saison hatte sie ihr Debüt in London gehabt und nichts anderes beabsichtigt, als sich zu amüsieren. Falls sie einem Mann begegnete, in den sie sich verliebte, dann sollte es eben so sein. Und weil sie keine Erfahrung mit Männern wie Lance Bingham gehabt hatte, war sie blind gegenüber allen außer dem gefährlich gut aussehenden Mann gewesen, der ihr in Carlton House über den Weg gelaufen war. Er hatte sie auf höchst unerklärliche Weise angezogen, aber nicht so, wie sie es sich vorgestellt hatte.
Die Wahrheit war, dass Lance Bingham vor Beginn seiner militärischen Karriere den Ruf eines notorischen Verführers mit dem Hang zur Verschwendung gehabt hatte. Konnten Männer sich derart verändern? Zahllose Frauen verliebten sich in ihn, und sie war einfach nur eines der Opfer seiner fatalen Anziehungskraft. Er war zwölf Jahre älter als sie, und das hatte sie zu Anfang nur noch misstrauischer gemacht hatte, was den Reiz betraf, den er auf sie ausübte. Was konnte eine unschuldige junge Frau tun, um sich vor dem überzeugenden Charme eines Mannes mit Erfahrung zu schützen? Ein paar Augenblicke in seiner Nähe machten sie vollkommen nervös, trotz all der gut aussehenden jungen Aristokraten, die ihr nachliefen und um ihre Aufmerksamkeit buhlten. Im Nachhinein erschienen ihr all diese eifrigen Verehrer hoffnungslos unreif, da sie nun ein würdigeres Objekt gefunden hatte, mit dem sie die jungen Männer vergleichen konnte.
Sie durfte jedoch nicht vergessen, dass Lance sie nicht aus freien Stücken heiraten wollte und dass ihre Ehe eine große Unannehmlichkeit für ihn darstellte. Er wollte sie körperlich, sein lustvolles Drängen ließ keinen Zweifel daran. In seinem Schlafzimmer hatte er ihr im Flüsterton erregende Angebote gemacht. Er hatte ihr von den Freuden erzählte, die sie in seinem Bett finden konnte, oder wie sehr es ihm gefallen würde, sie in die erotischen Künste einzuführen, die eine reife Frau beherrschen sollte. Die Erinnerung an seine Worte ließen ihr eigenes Verlangen größer werden, nachdem er ihr nun einen Vorgeschmack darauf gegeben hatte, was sie erwartete. Doch unterschieden sich seine Worte an sie von denen, die jede andere attraktive Frau von ihm zu hören bekam?
In den Tagen vor ihrer Hochzeit war Belle zufrieden, sich in Harworth aufhalten zu können. Das im Tudor-Stil erbaute Wohnhaus war im Laufe der Jahre mit Anbauten in den verschiedensten Stilrichtungen ergänzt worden. Ständig kamen Freunde und Nachbarn ihrer Großmutter, um sie zu beglückwünschen. Nur Lance hielt sich fern, was sie tief verletzte und enttäuschte.
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