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Hochzeit im Herrenhaus

Hochzeit im Herrenhaus

Titel: Hochzeit im Herrenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Ashley
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eine Weile bei uns bleibt”, gab sie mit einem zaghaften Lächeln zu. “Ihre Nähe wirkt seltsam tröstlich auf mich. Und Cousine Louise ist ganz begeistert von ihr. Zweifellos ist unser Hausgast eine sehr tüchtige junge Dame, die nichts so leicht aus der Fassung bringt.”
    “Um das zu beurteilen, kenne ich sie nicht gut genug”, entgegnete Deverel und fixierte einen imaginären Punkt an der Wand hinter dem Schreibtisch. “Ich bemerke nur die veränderte Atmosphäre, die seit Miss Milbanks Ankunft in diesem Haus herrscht. So als wäre ein Fenster geöffnet worden, um das Licht der Frühlingssonne hereinzulassen … Wie eine frische Brise kommt sie mir vor, die diesem Gemäuer so viele Jahre lang gefehlt hat.” Plötzlich bemerkte er Sarahs Verblüffung und konzentrierte sich wieder auf die Papiere. “Miss Annis Milbank steckt voller Überraschungen. Wie ich soeben feststellte, sind wir ganz entfernt mit ihr verwandt. Denn wir haben dieselben Ururururgroßeltern. Und sie ist die Nichte des gegenwärtigen Earl of Tavistoke.”
    “Um Himmels willen!”, rief Sarah tief beeindruckt. “Wieso um alles in der Welt hat sie das nicht erwähnt?”
    Der Viscount lächelte grimmig. “Vermutlich, weil ihr Onkel die Verwandtschaft nicht anerkennt. Oder unsere – eh – Cousine Annis ist zu gut erzogen, um über solche Dinge zu sprechen.”
    “Gab es irgendwelche Streitigkeiten in der Familie?”
    “Offensichtlich. Deshalb befragte ich Dunster. Wie du sicher weißt, ist er in solchen Dingen eine verlässliche Informationsquelle, und er erinnert sich lebhaft an den Skandal, den Tavistokes jüngste Schwester, Lady Frances Stowe, heraufbeschwörte. Nach einem ausgedehnten Besuch in den Shires wagte sie es, mit einem unbedeutenden Landarzt durchzubrennen. Anscheinend rang sich die Familie niemals dazu durch, diese Ehe anzuerkennen, und sprach nie wieder ein Wort mit der abtrünnigen Schwester.”
    “Oh, die arme Annis!”, klagte Sarah.
    “Glaub mir, Sally, dein Mitgefühl ist überflüssig. Wenn mich nicht alles täuscht, ist ihr das völlig egal. Sie hat mir erzählt, sie sei wunschlos glücklich gewesen, bis ihre Eltern tragischerweise während einer Typhusepidemie starben. Danach lebte sie ebenso zufrieden bei ihrem Großvater väterlicherseits, den sie vergötterte. Was ihr vergönnt war, wurde uns niemals gewährt, Sally. Und nach ihrem Scharfsinn zu urteilen, den sie mir immer wieder beweist, hat sie das bereits festgestellt.”
    Der Viscount irrte sich nicht, denn Annis hatte schon längst den Verdacht geschöpft, die Greythorpe-Geschwister müssten eine sehr traurige Kindheit erlitten haben. Aber als sie im Salon saß, mit ihrer Stickerei beschäftigt, drehten sich ihre Gedanken nicht um die ferne Vergangenheit, sondern um verwirrende Ereignisse in der Gegenwart.
    Normalerweise half ihr die Arbeit mit Nadel und Faden, logisch zu denken und Probleme zu lösen. Aber in diesem Fall wartete sie vergeblich auf einen Geistesblitz. Welcher vernünftige Mensch sollte in einem Graben auf der Lauer liegen, um Lord Greythorpe anzuschießen, der – wie er glaubwürdig versicherte – keine Feinde hatte? Dieses Rätsel beunruhigte sie in wachsendem Maße. Schlimmer noch – sie fürchtete, wer immer den Anschlag verübt hatte, wäre mit dem Resultat seiner Attacke unzufrieden und könnte den Viscount erneut angreifen, um ihm ernsthaft zu schaden.
    “Missfällt Ihnen mein musikalischer Vortrag?”, fragte Louise, als sie sich vom Pianoforte erhob und Annis’ gerunzelte Stirn sah.
    “Keineswegs. Wie ich Ihnen schon mehrmals versichert habe, spielen Sie sehr gut. Ihre Mama muss stolz auf Sie sein.”
    “Daran zweifle ich”, seufzte Louise. “Niemals könnte ich mich mit Ihnen messen. Während Sie zahllose Fähigkeiten besitzen, kann ich nur Pianoforte spielen.”
    “Welch ein Unsinn! Was bringe ich denn schon zustande?”
    “Sie können auch Pianoforte spielen”, betonte Louise.
    “Nicht annähernd so gut wie Sie.”
    “Und Sie können reiten.”
    “Ja, das stimmt. Aber glauben Sie bloß nicht, ich wäre eine großartige Reiterin. Eigentlich schaffe ich’s nur, im Sattel zu bleiben.”
    “Dass Sie sehr gut nähen und sticken, können Sie nicht bestreiten”, beharrte Louise, anscheinend fest entschlossen, ihren Standpunkt zu verteidigen. “Sogar Sarah, die beste Näherin in unserer Familie, hat erklärt, man müsste lange suchen, um schönere Handarbeiten zu finden als Ihre.”
    “Wollen Sie mich in

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