Hochzeit in Hardingsholm
meinem Teller, als ich in ein Gespräch verwickelt wurde und den Teller kurz abstellen musste. Als ich es essen wollte, war der Teller weg, und jetzt geht es wohl jemand anderem ziemlich schlecht. Gestern Abend war ich enttäuscht, aber jetzt bin ich einfach nur froh, dass ich dadurch verschont geblieben bin.« Pfarrer Munthe lächelte schuldbewusst. »Ziemlich egoistisch für einen Pfarrer, finden Sie nicht?«
Hellen grinste. »Ich würde nicht anders denken«, gab sie zu, wurde aber gleich darauf wieder ernst. »Erik und Linn können einem schon leidtun.«
Der Pfarrer schüttelte bedächtig den Kopf. »Es gibt im Leben weitaus schlimmere Dinge als eine verschobene Hochzeit«, sagte er gemütlich. »Es spielt keine Rolle, an welchem Datum zwei Menschen den Bund fürs Leben schließen. Erik und Linn sind sehr glücklich miteinander. Daran wird eine vertagte Hochzeit nichts ändern.«
Und noch weniger eine Pilotin, die ihre Gefühle nicht unter Kontrolle hat und sich von einem Menschen faszinieren lässt, den sie gerade mal vierundzwanzig Stunden kennt, fügte Hellen in Gedanken hinzu.
Pfarrer Munthe hatte recht. Linn und Erik würden an einem anderen Tag heiraten und miteinander sehr glücklich werden. Lara würde sich wieder mit Magnus vertragen und sie selbst zurück nach Stockholm gehen, durch die ganze Welt fliegen und ihre knappe Freizeit gemeinsam mit Torsten verbringen. Die Welt war dann wieder in Ordnung, und irgendwann, hoffentlich in nicht allzu ferner Zukunft, hatte sie Hardingsholm und seine Bewohner vergessen.
– 31 –
A ls Lars zurückkam, fand er alle in heller Aufregung vor. Erik stürmte auf ihn zu, umfasste seine Schultern und schaute ihm prüfend ins Gesicht.
»Wie geht es dir?«
Lars war verwundert. »Ausgezeichnet?« Na ja, so ganz stimmte das nicht. Seine körperliche Verfassung war gut, seine seelische ließ zu wünschen übrig. Aber das konnte er ausgerechnet seinem Bruder nicht sagen. »Wieso fragst du?«
»Hast du von dem Tiramisu gegessen?«, antwortete Erik mit einer Gegenfrage.
Lars schüttelte den Kopf. »Du weißt doch, dass ich süße Nachspeisen nicht besonders mag.« Das Gebaren seines Bruders erschien ihm seltsam.
Erik schien erleichtert. »Mit dem Nachtisch stimmte wohl etwas nicht. Ein Großteil unserer Gäste ist krank, und auch Linn liegt flach. Sie hat es besonders schwer erwischt.«
Lars erschrak zutiefst. »Eine Lebensmittelvergiftung?« So etwas konnte schlimm ausgehen, er machte sich große Sorgen um Linn.
Erik nickte. »Sieht ganz so aus.«
»Was ist mit Linn?«, fragte Lars. »War sie schon beim Arzt?«
»Hellen Reslow hat Doktor Lund nach Hardingsholm geholt. Er war bereits bei Linn. Es geht ihr ein bisschen besser, aber immer noch viel zu schlecht, als dass wir heute heiraten könnten.«
»Die Hochzeit fällt aus?«
Lars lauschte seiner eigenen Stimme nach. Spiegelte ihr Tonfall die Freude wider, die er empfand? Aufmerksam musterte er Erik. Wirkte sein Bruder jetzt misstrauisch?
Nein, Erik war nichts anzusehen außer der Besorgnis um Linn und die erkrankten Gäste.
– 32 –
I mmerhin, der Wunsch zu sterben war verschwunden. Es ging ihr ein wenig besser, trotzdem wünschte sich Linn, sie hätte ihre Ruhe. Sie wusste, dass ihre Mutter es nur gut meinte, aber sie ging ihr mit ihrer Sorge schrecklich auf die Nerven.
»Ich habe es ja immer gesagt«, regte Edda sich auf, während sie die Bettdecke glatt strich. »Nachspeisen mit rohen Eiern sollten verboten werden.«
»Mina hat es doch nur gut gemeint«, verteidigte Linn die Hausangestellte, die den Nachtisch zubereitet hatte. »Ich liebe ihre Desserts, und es ist nicht ihre Schuld, dass die Eier nicht mehr in Ordnung waren. Wie geht es denn den anderen?«, wechselte sie das Thema.
»Ähnlich wie dir«, sagte Edda. »Mina hat ja zum Glück nur eine Schüssel zubereitet.«
Linn seufzte und zog das Laken bis zum Kinn. »Vielleicht war es ein Zeichen …«, sagte sie nachdenklich, »ich hätte alles absagen sollen, als das Kleid nicht rechtzeitig geliefert werden konnte.«
Edda war sichtlich entsetzt. »Das ist doch Blödsinn«, rief sie aus. »Das war alles nur ein dummer Zufall, und im Übrigen hast du das Kleid doch rechtzeitig bekommen.«
»Aber es lief trotzdem erst einmal schief.« Linn richtete sich auf. »Ich weiß nicht … vielleicht soll es ja alles so sein.«
Edda trat einen Schritt an sie heran. »Was genau meinst du damit?«, fragte sie lauernd.
Linn antwortete nicht, schüttelte
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