Hochzeit in Hardingsholm
Unterstützung nicht mehr benötigt wurde. Jetzt ging es erst einmal darum, schnellstmöglich Hilfe für die Betroffenen zu holen. Woran es wohl lag, dass so viele Gäste und sogar die Braut erkrankt waren?
Die Ostsee war noch rau, die Wellen höher als gestern, aber der Himmel war wieder blau und klar. Das Gewitter hatte sich zum Glück vollständig verzogen.
Der Arzt wartete schon auf sie und stieg mit seiner Tasche in der Hand ins Flugzeug. Hellen hob sofort wieder ab. Es war keine halbe Stunde vergangen, da wasserte sie schon wieder vor Hardingsholm. Erik erwartete sie sichtlich verstört am Steg.
»Sieben unserer Gäste hat es erwischt«, informierte er den Arzt gleich nach der Begrüßung. »Und vor allem Linn. Wahrscheinlich lag es am Tiramisu. Wir haben inzwischen herausgefunden, dass nur die erkrankt sind, die davon gegessen haben.«
Der Arzt nickte und ließ sich von Edda, die jetzt hinzutrat, zu den Patienten bringen.
Erik bedankte sich bei Hellen. »Zum Glück haben Sie nichts von dem Tiramisu gegessen.«
»Ich stehe nicht so auf Süßes«, sagte Hellen und war in diesem Moment ganz besonders froh darüber. »Was ist denn mit der Hochzeit?«, wollte sie wissen.
»Heute wird nicht geheiratet.« Erik schüttelte den Kopf. »Linn kann kaum auf den Beinen stehen.«
»Das tut mir sehr leid«, sagte Hellen, und das entsprach der Wahrheit, obwohl noch ein anderes Gefühl in ihr mitschwang. Sie konnte es nicht genau einordnen. War es eine Art … Erleichterung?
»Mir auch«, sagte Erik, ohne wirklich enttäuscht zu wirken. Oder kam ihr das nur so vor? Weil sie sich das vielleicht wünschte? Sie schämte sich für diese Gedanken.
»Kann ich noch irgendwie helfen?«, fragte sie hastig.
»Danke.« Erik schüttelte den Kopf, schien es sich plötzlich aber anders zu überlegen. »Oder vielleicht doch. Können Sie den Pfarrer mitnehmen? Eigentlich sollte ich ihn mit dem Boot nach Hause bringen, aber in der derzeitigen Situation bleibe ich besser hier und kümmere mich mit Edda um die Kranken und vor allem um Linn.«
»Es trifft sie bestimmt hart, dass die Hochzeit heute ausfällt«, murmelte Hellen.
»Im Moment ist sie nicht in der Verfassung, sich darüber Gedanken zu machen«, sagte Erik.
»Richten Sie ihr meine besten Genesungswünsche aus und meinen Dank, das gilt natürlich auch für Sie, weil Sie beide mich gestern so herzlich aufgenommen haben.« Hellen reichte ihm zum Abschied die Hand.
Er ergriff sie, hielt sie fest, immer länger, und auch Hellen mochte ihre Hand nicht mehr aus der seinen lösen.
»Auf Wiedersehen«, sagte sie leise.
»Wiedersehen, Hellen.«
Sie spürte, dass er ihre Hand wie in Zeitlupe nur sehr zögernd losließ.
»Ich sage dem Pfarrer, dass Sie auf ihn warten.« Seine Stimme klang anders als sonst.
»Ja«, erwiderte sie beklommen. »Ich warte am Flieger auf ihn.«
Sie wandte sich ab und ging die Wiese hinunter zum Steg, er in die andere Richtung zum Haus. Sie widerstand dem Drang, sich noch einmal umzudrehen, einige Schritte lang, gab dann aber dem Bedürfnis nach und wandte den Kopf. Und in genau diesem Moment schaute auch er noch einmal zurück. Er lächelte, hob grüßend die Hand.
Hellen lächelte zurück, obwohl ihr das Herz schwer war. »Leb wohl«, flüsterte sie. Es fiel ihr schwer, Hardingsholm zu verlassen, und gleichzeitig sehnte sie sich genau danach.
Pfarrer Munthe ließ sich Zeit, bis er endlich mit seiner kleinen Reisetasche auftauchte.
»Danke, dass Sie auf mich gewartet haben. Ich wollte erst noch einmal nach Linn sehen und mich verabschieden.«
Hellen nickte lächelnd, nahm ihm die Reisetasche ab und half dem älteren Herrn in die Maschine. Sie löste das Flugzeug vom Steg und stieg ebenfalls ein. Wenige Minuten später glitt das Flugzeug über die Wasserfläche, nahm Geschwindigkeit auf und zog hoch in die Luft.
Hellen flog einen Bogen, unter ihr lag Hardingsholm, das schließlich aus ihrem Sichtfeld verschwand. Es tat weh, und sie mühte sich, den Kloß in ihrem Hals zu ignorieren.
»Was für ein Glück«, hörte sie Pfarrer Munthe neben sich sagen. »Ich habe nicht damit gerechnet, dass ich mich heute noch in den Himmel erheben darf.«
Hellen lächelte dem Pfarrer zu, sie war ihm dankbar für diese Ablenkung. »Des einen Leid ist des anderen Freud«, sagte sie lachend.
Pfarrer Munthe stimmte in ihr Lachen ein. »Ja, in dieser Hinsicht hatte ich sogar doppeltes Glück«, sagte er. »Ich hatte nämlich schon eine große Portion Tiramisu auf
Weitere Kostenlose Bücher