Hochzeit in Hardingsholm
bewusst, seit sein Bruder wieder zu Hause war.
Langsam gingen sie über den Hof Richtung Firmengebäude. Aus den Werkhallen war das Kreischen einer Säge zu hören, hier wurde Holz zurechtgeschnitten, das später zu den verschiedenen Baustellen gebracht werden würde.
»Ich bin so froh, dass du nach Hause gekommen bist«, sagte Erik.
»Ich wollte nur mal kurz vorbeischauen, um zu sehen, wie es dir so geht«, erwiderte Lars.
Erik traute seinen Ohren nicht. Er blieb stehen und packte seinen Bruder am Arm. »Du willst wieder weg?« Er hatte so gehofft, dass sein Bruder für immer zurückgekehrt war.
»Ich bin nicht wie du, Erik«, sagte Lars ruhig und ging weiter.
Erik folgte ihm schweigend. »Hast du denn niemals Heimweh?«, fragte er leise.
»Oh doch«, erwiderte Lars und schien selbst erschrocken über den Nachdruck in seiner Stimme.
Erik blieb stehen und beobachtete seinen Bruder, der plötzlich lächelte. »Eigentlich ist es eher die Sehnsucht nach einem bequemen Bett oder einer heißen Dusche, je nachdem, wo ich gerade bin«, sagte er eine Spur zu fröhlich.
Erik kannte Lars gut genug, um zu wissen, dass die Bemerkung nur vorgeschoben war. Möglicherweise mochte er sich selbst nicht eingestehen, dass er sich nach der Heimat sehnte, nach den Menschen, die ihm wichtig waren.
Aber wer war seinem Bruder hier noch wichtig? Er selber? Oder Linn …?
Erik überlegte, ob er Lars noch einmal auf Linn ansprechen sollte. Sein Bruder hatte ihm in dem kurzen Gespräch über die Hochzeit das Gefühl vermitteln wollen, dass es ihm nichts ausmachte, er hatte ihnen sogar Glück gewünscht.
Eriks schlechtes Gewissen aber hatte das nicht beruhigen können. Andererseits war er immer davon ausgegangen, dass die fünf Jahre, in denen Lars weg gewesen war, von dieser Jugendliebe nicht viel mehr übrig gelassen hatten als eine Erinnerung, die wegen des bitteren Endes für beide wahrscheinlich nicht einmal schön war.
Erik beschloss, Lars noch einmal darauf anzusprechen, doch sein Bruder kam ihm zuvor.
»Weißt du, was ich niemals vergesse, egal, wo ich bin?« Lars stand vor ihm, schloss die Augen und breitete die Arme aus. »Den Geruch von schwedischem Holz!« Lars öffnete die Augen, lachte fröhlich, und damit war der Moment, mit ihm über Grundlegendes zu sprechen, vorbei.
Erik betrachtete seinen Bruder nachdenklich. Eben noch hatte er geglaubt, dass er Lars erreichen könnte. Tief in sein Innerstes vordringen könnte, wenn er nur die richtigen Worte fand. Aber jetzt war sein Bruder wieder in dieser Stimmung, in der er alles leicht und locker nahm. In dieser Hinsicht war Lars sich offensichtlich selbst treu geblieben.
»Dieser Geruch birgt Erinnerungen an die Kindheit«, fuhr Lars fort. »Wie wir als Kinder zwischen den Holzstößen herumgelaufen sind und uns versteckt haben. An unsere Fahrten mit Papa in den Wald.«
Seine Miene verdüsterte sich, die Erinnerung an den Vater schien ihm immer noch nahezugehen. Erik wusste nur zu gut, wie es ihm ging. Das Gefühl von Wehmut und Trauer erfüllte auch ihn jedes Mal, wenn er über die Eltern sprach oder auch nur an sie dachte.
Doch auch dieses Mal schwenkte Lars’ Stimmung schnell um. Er lachte jetzt. »Oder diese Puppenhäuser, die wir zusammen mit Kalle gebaut und auf dem Weihnachtsmarkt verkauft haben … Was ist eigentlich mit Kalle? Ich habe ihn gestern auf dem Polterabend gesehen und kurz begrüßt, aber er war so schnell wieder weg, dass ich nicht mit ihm reden konnte. Arbeitet er noch für uns?«
»Klar«, nickte Erik. Er hätte Lars sagen können, dass er ohne Kalle oft nicht weitergewusst hätte in den vergangenen Jahren und dass Kalle ihm in dieser Zeit wie ein Bruder gewesen war. Aber Erik entschied sich zu schweigen. Vermutlich wäre in seinen Worten und in seiner Stimme ein Vorwurf mitgeschwungen, aber genau das wollte er nicht. Lars hatte das Recht, sein eigenes Leben zu leben, und wenn es ihn wieder in die Welt trieb, musste er das akzeptieren. Aber er würde trotzdem nichts unversucht lassen, ihn doch noch zum Bleiben zu überreden.
»Kalle ist inzwischen Vorarbeiter bei uns. Er müsste gerade in unserer neuen Ferienhaussiedlung sein. Unser größtes Projekt direkt am Fjord, neben der Neubausiedlung in Norrtälje.«
Lars war sichtlich beeindruckt. »Toll, was du alles geschafft hast.«
»Ja«, Erik nickte stolz. Er wusste selbst, was er erreicht hatte. »Allerdings sind wir jetzt an einem Punkt, an dem wir entscheiden müssen, ob wir auf diesem
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