Höchstgebot
jetzt aufbrächen, aber im Laufe des Vormittags ein Ermittlerteam käme, um Patricks Zimmer auf Spuren zu untersuchen.
»Er ist im Grunde ein guter Junge«, versicherte Frau Schmidt. »Vielleicht ein bisschen naiv. Aber sein Vater hat ihn verdorben. Er braucht Ordnung im Leben und man muss ihn an der kurzen Leine halten. Und diesem Sascha habe ich von Anfang an nicht getraut. Patrick hat ihm eine Menge Geld geliehen und ich glaube nicht, dass er viel davon zurückbekommen hat.«
»Wenn Sie etwas von Ihrem Sohn hören, müssen Sie uns sofort benachrichtigen«, legte Katja der Frau ans Herz. »Es ist zu seinem eigenen Besten. Darf ich dieses Foto von Patrick und Sascha mitnehmen?«
»Wann bekomme ich es wieder?«, fragte Frau Schmidt besorgt.
»Sobald ihr Sohn auftaucht«, versprach Katja. »Dann machen wir eine aktuelle Aufnahme von ihm.«
Dass er mit dazugehöriger Registernummer von einem Polizeifotografen abgelichtet werden würde, verschwieg sie. Eine Mutter, die ihren Sohn nicht loslassen konnte, war genau so schlimm wie der umgekehrte Fall.
Im Treppenhaus sagte Micky: »Patrick meldet sich garantiert bei Mutti, sobald er keine sauberen Unterhosen mehr hat.«
»Wenn er es tut«, erwiderte Katja, »ist Frau Schmidt die Letzte, die ihn ausliefern würde.« Sie sah auf ihre Armbanduhr. »Uns bleibt noch eine gute Stunde bis zur Audienz bei Ingrid. Lass uns noch schnell beim Chef dieser Jungs vorbeischauen.«
Der ASSU – Chef stand vor der Tür seines Firmengebäudes und rauchte eine Zigarette, die er sofort wegwarf, als er Katja und Micky erblickte.
Er kam ihnen entgegen und begrüßte sie mit einer Höflichkeit, die an Untertänigkeit grenzte. »Jürgen Bayder«, stellte er sich vor. »Niederlassungsleiter von ASSU . Wir sind zutiefst schockiert von den Neuigkeiten über unsere Mitarbeiter. Kommen Sie, besprechen wir die Angelegenheit in meinem Büro.« Ohne eine Antwort abzuwarten, machte er auf dem Absatz kehrt.
»Dem schwant was«, flüsterte Katja, während Bayder sich beeilte, ihnen die gläserne Eingangstür aufzuhalten.
Jürgen Bayder erlebte seit einigen Tagen den schlimmsten Albtraum, der dem Chef eines Wachdienstes passieren konnte: ein Mitarbeiter, der sich am Eigentum des Kunden vergriff, den er bewachen sollte. Ja, er war sogar mit einem doppelten GAU konfrontiert: ein Wachmann, der beim selben Kunden im Marihuananebel einen Großbrand verpennt.
Wie man an Jürgen Bayders rot umränderten Augen erkannte, kosteten ihn diese Umstände schlaflose Nächte. Seine Hände zitterten, als er Katja und Micky eine Tasse Kaffee servierte.
»Das ist wirklich ein schwerer Schlag«, sagte er, während er auf seinen Bürostuhl sank. »Heino und Freddy, schwerstkriminell … Wer hätte das gedacht?«
Micky sah Katja erstaunt an.
»Wir sind wegen Patrick Schmidt und Sascha Heidfeld hier«, sagte Katja.
Bayder entschuldigte sich mit einer Handbewegung. »Bei uns in der Firma laufen sie unter ›Heino und Freddy‹, weil sie den ganzen Tag WDR4 hören. Sie kennen alle Schlager auswendig, selbst wenn die dreimal so alt sind wie sie selbst. Bei jeder Gelegenheit geben sie sie zum Besten, das ganze Repertoire von Udo Jürgens bis Andrea Berg.« Er verzog sein Gesicht zu einem gequälten Grinsen. »Wenn es wahr ist, was man über sie erzählt, haben sie sich mächtig in Schwierigkeiten gebracht. Und unsere Firma im Übrigen auch. Ich hoffe, Sie denken daran. Ich meine gegenüber der Presse. Ansonsten sind unsere Mitarbeiter nämlich absolut vertrauenswürdig.«
Katja nahm einen Notizblock zur Hand. »Wer hat Ihnen denn etwas über sie erzählt?«
»Ehrlich gesagt, Heinos Mutter hat mich eben angerufen«, antwortete Bayder.
»Das erklärt vieles«, bestätigte Katja. »Fangen wir mit Sascha Heidfeld an. Was wissen Sie über ihn?«
»Freddy«, korrigierte Bayder. »Er arbeitet schon seit fünf Jahren für ASSU . Ein Junge mit erhöhtem Risikofaktor. Die Mutter hat ihn mit siebzehn bekommen. Der Vater war lange Zeit unbekannt, bis sich irgendein Weißrusse meldete. Er erhielt eine Aufenthaltserlaubnis und ließ sich danach nicht mehr blicken. Die Mutter hat sich totgefixt, totgesoffen oder beides. Der Vater ist in Minsk bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Freddy war damals gerade sechzehn und glücklicherweise schon vorher von einer Art Pflegefamilie aufgenommen worden. Die Leute hatten sich seit seiner Geburt regelmäßig um ihn gekümmert. Er hätte schon viel früher auf die schiefe Bahn geraten
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