Höchstgebot
konnten dann trotzdem alles übersetzen.«
»Die Gegenwart, Holger, die Gegenwart!«, flehte Katja.
»Mit der RSA-Verschlüsselung ist alles ganz anders. Der eigentliche Code bleibt immer zu Hause. Nehmen wir an, Katja will Robert eine geheime Nachricht schicken. Robert errechnet dann mithilfe einer Formel aus zwei sehr großen Primzahlen einen Schlüssel. Er schickt diesen Schlüssel an Katja.«
»Warum Primzahlen?«, fragte Robert.
»Jeder weiß, dass eins, drei und sieben Primzahlen sind, aber so große Primzahlen mit Hunderten von Ziffern sind schwer zu errechnen.«
»Und die werden miteinander multipliziert.«
»Ja, das Produkt ist seitenlang. Man nennt es den ›öffentlichen Schlüssel‹, weil ihn ruhig jeder sehen darf. Katja codiert ihre Nachricht an Robert mit diesem öffentlichen Schlüssel. Die Entschlüsselung funktioniert nur, wenn man die beiden ursprünglichen Primzahlen kennt. Aber die kann man eben wegen ihrer Größe nicht aus dem öffentlichen Schlüssel zurückrechnen. Also: Robert hat die Primzahlen und er alleine kann die Nachricht decodieren. Der Vollständigkeit halber müsste ich noch erklären, dass die Verschlüsselung auf der Basis einer modularen Multiplikation erfolgt und dass es Paddingverfahren gibt, die das Ganze noch sicherer machen. Aber das ist für euch jetzt nicht so wichtig. So weit alles klar?«
»Geht so. Aber ich sehe da trotzdem ein Problem«, meinte Robert. »Du sagst, der öffentliche Schlüssel wird verschickt, aber die Primzahlen bleiben bei dem Nachrichtenempfänger, der sie auch selbst ausgewählt hat.«
»Sehr gut«, lobte Holger wie ein Nachhilfelehrer.
»Wieso wurde aber dann mit unserem Magritte eine Primzahl verschickt?«
»Interessanter Punkt«, gab Holger zu. »Primzahlen zu verschicken, ist eigentlich ein No-go.«
»Es braucht zwei Zahlen«, sagte Katja. »Also müsste auf dem Magritte noch eine versteckt sein.«
»Sicher nicht«, antwortete Robert. »Es gibt allerdings zwei Fehlstellen, für die ich keine abgeplatzten Farbschollen sicherstellen konnte. Vielleicht sind sie auf der Flucht verlorengegangen. Bezüglich der einen Stelle hatte ich zuerst unbegreiflicherweise einen unsachgemäßen Farbauftrag notiert. Als Anouk mit mir das Protokoll durchging, erwies sie sich in Wirklichkeit ganz deutlich als Fehlstelle.«
»Wie konntest du dich denn so irren?«
Robert wand sich unter Katjas scharfem Blick. »Ich versteh’s ja auch nicht. Dieses Schmerzmittel, weißt du?«
»Und wenn es gar nicht dein Fehler war? Versuch, dich an den Farbauftrag zu erinnern. War es dieselbe Farbe wie bei diesem Microdot hier?«
Robert zog die Schultern hoch. »Ich habe ein paar ganz unerfreuliche Gedächtnislücken.«
»Okay, versuchen wir es anders. Hatte jemand zwischen deiner Protokollierung und Anouks Überprüfung des Protokolls Zugang zu dem Bild?«
»Ich war ununterbrochen hier. Nur einmal, als …« Robert stockte plötzlich. »… als Debriek mit dem Bild allein sein wollte, da war ich Kaffeetrinken.«
»Dann hat er vielleicht die zweite Primzahl«, sagte Katja.
»Und warum hat er diese Zahl hier zurückgelassen?«, schaltete sich Holger ein.
»Weil sie nicht mehr auf dem Bild war, sondern in meiner Jackentasche. Und frag mich jetzt bloß nicht, warum«, wehrte Robert ab.
»Also, was haben wir?« Katja zählte die Punkte an den Fingern ab. »Unternehmer eins ersteigert ein Gemälde von Unternehmer zwei. Auf dem Gemälde sind Primzahlen versteckt. Unternehmer eins weiß offenkundig davon, denn er ist so scharf auf diese Primzahlen, dass er hierherkommt, um sie vom Bild abzukratzen. Höchstwahrscheinlich waren sie überhaupt der Grund dafür, dass er das Bild zum dreifachen Wert gekauft hat.«
»Immerhin gab es einen zweiten Bieter, der fast genau so viel für den Magritte ausgeben wollte. Wusste der dann auch von den Primzahlen?«, fragte Robert skeptisch.
»Gute Frage, nächste Frage«, gab Katja grübelnd zurück.
»Wer hat die Primzahlen auf das Gemälde geklebt? Und vor allem warum?«
Katja schaute Robert genervt an. »Ich kümmere mich jetzt erst einmal um diesen anderen Bieter.«
23
»Und was sagt der Arzt?«, fragte Katja mit einer für diesen frühen Montagmorgen unverschämt guten Laune, als Robert den Kopf durch die Tür zu ihrem Büro steckte.
»Der Arzt sagt: ›Du bist ein Trottel, Patati. Du solltest nicht arbeiten und dich nicht mit Betäubungsmitteln vollstopfen‹«, antwortete er und schloss die Tür hinter sich.
»Ein guter
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