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Höhenangst

Titel: Höhenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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zur Zeit ein bißchen neben mir«, erklärte ich.
    Jake zog fragend die Augenbrauen hoch und reichte mir meinen Kaffee. Da er noch zu heiß war, um ihn gleich zu trinken, stellte ich die Tasse auf den Tisch. Dort drehte ich sie so lange nervös hin und her, bis ein wenig von ihrem Inhalt überschwappte. »Es ist alles ein bißchen seltsam.«
    »Seltsam?« fragte er.
    »Darf ich kurz dein Bad benutzen?«
    Ich stolperte in den winzigen Raum hinüber und starrte mich im Spiegel an. Meine Haaren waren fettig, meine Wangen blaß und eingefallen, und ich hatte dunkle Ringe unter den Augen. Ich hatte mich weder gestern abend noch heute morgen gewaschen, und mein Gesicht war voller verschmierter Wimperntusche. Außerdem stellte ich fest, daß ich meinen orangefarbenen Pulli mit der Innenseite nach außen trug, machte mir aber nicht die Mühe, das zu ändern. Wozu?
    Immerhin wusch ich mir rasch das Gesicht. Als ich die Klospülung betätigte, hörte ich im Zimmer über mir ein schabendes Geräusch. Im Schlafzimmer. Es war noch jemand hier.
    »Tut mir leid«, sagte ich, als ich aus dem Bad kam, »es war ein Fehler.«
    »Was ist los, Alice?« In seiner Stimme schwang eine Spur von echter Besorgnis mit. Aber er klang nicht, als würde er mich noch lieben – eher als wäre ich eine streunende Katze, für die er Mitleid empfand.

»Ich bin bloß ein bißchen melodramatisch.« Ein Gedanke schoß mir durch den Kopf. »Kann ich kurz telefonieren?«
    »Du weißt ja, wo das Telefon steht«, sagte er.
    Ich rief bei der Auskunft an und ließ mir die Nummer des Polizeireviers von Corrick geben. Mit einem Filzstift, den ich auf dem Boden gefunden hatte, schrieb ich mir die Nummer auf die Handfläche. Ich begann zu wählen, aber dann mußte ich an die Anrufe denken, die Adam und ich bekommen hatten. Man konnte nie vorsichtig genug sein.
    Ich legte auf.
    »Ich muß gehen«, sagte ich.
    »Wann hast du das letztemal etwas gegessen?« fragte Jake.

    »Ich hab’ keinen Hunger.«
    »Soll ich dir ein Taxi rufen?«
    »Ich geh’ zu Fuß.«
    »Wohin?«
    »Was? Ich weiß nicht.«
    Oben ließ sich jemand ein Bad einlaufen. Ich stand auf.
    »Tut mir leid, Jake. Du weißt, wie leid es mir tut.«
    Er lächelte.
    »Das macht jetzt nichts mehr«, sagte er.

    30. KAPITEL
    Bei einem Zeitschriftenhändler erstand ich die teuerste Telefonkarte, die es in dem Laden gab, und suchte mir dann eine Telefonzelle.
    »Polizeirevier Corrick«, meldete sich eine metallisch klingende Frauenstimme.
    Ich hatte mir bereits zurechtgelegt, was ich sagen würde.
    »Ich hätte gern den Beamten gesprochen, der mit der Akte von Adele Blanchard betraut ist«, erklärte ich bestimmt.
    »Welche Abteilung?«
    »Lieber Himmel, keine Ahnung.« Ich zögerte.
    »Kriminalfälle?«
    Die Frau am anderen Ende der Leitung schwieg. Weil sie genervt war? Oder weil ich sie mit meinem Anliegen verwirrt hatte? Ich hörte gedämpfte Stimmen.
    Offensichtlich hatte sie die Hand über den Hörer gelegt.
    Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder mir zu.
    »Mal sehen, ob ich Sie mit jemandem verbinden kann.«
    In der Leitung piepste es.
    »Womit kann ich Ihnen helfen?« fragte eine andere Stimme, diesmal eine männliche.
    »Ich bin eine Freundin von Adele Blanchard«, erklärte ich selbstbewußt. »Ich war ein paar Jahre in Afrika und wollte nun nachfragen, welche neuen Erkenntnisse es in ihrem Fall gibt.«
    »Wie heißen Sie bitte?«
    »Mein Name ist Pauline«, antwortete ich. »Pauline Wilkes.«

    »Ich fürchte, ich kann Ihnen am Telefon keine Auskunft geben.«
    »Haben Sie etwas von ihr gehört?«
    »Tut mir leid, Madam. Möchten Sie eine Aussage machen?«
    »Ich … nein, tut mir leid, auf Wiederhören.«
    Ich legte auf und rief erneut bei der Auskunft an. Ich ließ mir die Nummer der Bibliothek von Corrick geben.

    Ich war seit meiner Kindheit in keiner öffentlichen Bibliothek mehr gewesen. Ich stellte mir solche Einrichtungen immer als altmodische Gemeindebauten vor, ähnlich wie Rathäuser: mit dunklen Gängen, schweren, eisernen Heizkörpern und Landstreichern, die dort vor dem Regen Zuflucht suchen. Die Bibliothek von Corrick war ein helles, neues Gebäude und lag gleich neben einem Supermarkt. Es schien dort mehr CDs und Videos als Bücher zu geben, und ich befürchtete schon, mich mit einer Maus oder einem Mikrofiche herumschlagen zu müssen. Aber als ich an der Information nach dem Lokalblatt fragte, wies man mir den Weg zu Regalen, wo achtzig Jahre des Corrick and Whitham Advertiser

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