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Höhenangst

Titel: Höhenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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war. Ich versuchte mir vorzustellen, was seit meinem Weggehen passiert war.
    Wahrscheinlich hatte Jake Pauline informiert. Und sie hatte es den anderen erzählt. Sie würden sich alle treffen, um zusammen etwas zu trinken und über die Sache zu reden. Sie würden schockiert nach den Gründen fragen und versuchen, Jake zu trösten. Und ich, die ich so lange ein fester Bestandteil der Gruppe gewesen war, würde zum Gegenstand ihres Klatsches werden. Alle würden sich eine Meinung über mich bilden und mit Nachdruck ihre persönliche Version der Geschichte vertreten.
    Wenn ich diese Welt wirklich verlassen hatte – und so, wie es aussah, hatte ich das getan –, bedeutete dies dann, daß ich nun ein Teil von Adams Welt war, einer Welt voller Männer, die auf Berge stiegen, während ihre Frauen auf sie warteten? Während ich an meinem Schreibtisch saß und die Mittagspause herbeisehnte, dachte ich darüber nach, wie wenig ich eigentlich über Adam wußte. Ich war mit seiner Vergangenheit ebensowenig vertraut wie mit seinem gegenwärtigen Leben oder seinen Zukunftsplänen.
    Je mehr mir bewußt wurde, daß er ein Fremder für mich war, desto mehr sehnte ich mich nach ihm.

    Er hatte mir bereits mehrere Slips und BHs gekauft. Wir standen hinter einem Kleiderständer und lächelten uns an.
    Seine Hand streifte die meine. Es war unser erstes richtiges Rendezvous außerhalb der Wohnung.
    »Die Sachen sind unverschämt teuer«, erklärte ich.

    »Probier mal das hier«, sagte er.
    Er reichte mir ein einfaches schwarzes Kleid und eine schmal geschnittene Hose. Ich trat in die Umkleidekabine, zog die Sachen über meine neue Unterwäsche an und betrachtete mich im Spiegel. Mit teuren Klamotten sah man tatsächlich anders aus. Als ich wieder aus der Kabine kam, hielt er mir ein schokoladenbraunes Samtkleid hin.
    Es hatte einen weiten Ausschnitt, lange Ärmel und einen Rock, der bis auf den Boden reichte. Vom Stil her wirkte es irgendwie mittelalterlich. Ein so schönes Kleid hatte ich noch nie besessen, und nach einem Blick auf das Preisschild wußte ich auch, warum.
    »Ich kann nicht.«
    Er runzelte die Stirn.
    »Ich möchte es aber.«
    Wir verließen den Laden mit zwei großen Tüten voller Kleidung, die mehr gekostet hatte, als ich im Monat verdiente. Ich trug die schwarze Hose und dazu ein cremefarbenes Seidenhemd. Ich mußte daran denken, wie lange Jake gespart hatte, um mir einen Mantel kaufen zu können, und wie erwartungsvoll und stolz er ausgesehen hatte, als er ihn mir endlich überreichen konnte.
    »Ich komme mir vor, als würde ich mich von dir aushalten lassen.«
    »Weißt du, was?« Er blieb mitten auf dem Gehsteig stehen. Links und rechts schoben sich die Leute an uns vorbei. »Ich möchte dich bis in alle Ewigkeit aushalten.«
    Er hatte diesen Dreh heraus, locker dahingesagte Bemerkungen in etwas Todernstes zu verwandeln. Ich wurde rot und mußte lachen, aber er starrte mich mit ernster, fast finsterer Miene an.
    »Darf ich dich heute zum Abendessen einladen?« fragte ich.
    »Ich möchte, daß du mir von deinem Leben erzählst.«

    Aber vorher mußte ich ein paar Sachen aus der Wohnung holen. Ich hatte mein Adreßbuch, mein Tagebuch und alle meine Arbeitsunterlagen dort zurückgelassen. Erst wenn die Sachen wieder in meinem Besitz waren, würde ich nicht mehr das Gefühl haben, noch halb bei Jake zu sein.
    Ich versuchte, Jake telefonisch in der Arbeit zu erreichen, aber er war nicht da. Man sagte mir, er sei krank. Ich rief in der Wohnung an, und er meldete sich schon nach dem ersten Klingeln.
    »Jake, hier ist Alice«, sagte ich verlegen.
    »Ich kenne deine Stimme«, antwortete er trocken.
    »Bist du krank?«
    »Nein.«
    Einen Moment schwiegen wir beide.
    »Hör zu, es tut mir leid, aber ich muß vorbeikommen und ein paar Sachen holen.«
    »Morgen bin ich wieder in der Arbeit. Hol sie dann.«
    »Ich habe keinen Schlüssel mehr.«
    Ich hörte ihn am anderen Ende tief durchatmen. »Du hast wirklich alle Brücken hinter dir abgebrochen, Alice.«
    Wir vereinbarten, daß ich gegen halb sieben kommen sollte. Nach einer weiteren kurzen Pause verabschiedeten wir uns höflich voneinander, und ich legte auf.

    Es ist erstaunlich, wie wenig man arbeiten muß und wie viel man sich erlauben kann, wenn einem sein Job egal ist.
    Warum hatte ich das nicht schon früher bemerkt?
    Niemand schien es zu interessieren, wie spät ich an diesem Morgen angefangen hatte oder wie lange ich Mittagspause machte. Am Nachmittag hatte ich an

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