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Höhenangst

Titel: Höhenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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verwaltungstechnische Details abgelenkt und war hin- und hergerissen zwischen seinen Aufgaben als Bergführer und seinen Pflichten als Reiseveranstalter.
    Über achttausend Metern reduzierte und verlangsamte sich alles. Obwohl die Teilnehmer nicht wirklich klettern mußten, bedeutete jeder noch so flache Anstieg eine enorme körperliche Anstrengung. Die älteren Teilnehmer hielten alle anderen auf, was zu Spannungen innerhalb der Gruppe führte. Während all der Zeit hatte Greg nur den einen Wunsch, es mit der ganzen Gruppe bis zum Gipfel zu schaffen und zu beweisen, daß diese Form von Tourismus funktionieren konnte. Klaus zufolge war er nicht nur wie besessen von diesem Wunsch, sondern redete ständig unzusammenhängendes Zeug darüber, daß sie sich beeilen müßten, um es noch in der Schönwetterphase Ende Mai zu schaffen, ehe der Juni mit seinen Unwettern begann und katastrophale Bedingungen brachte. Dann, nachdem sie das letzte Camp unterhalb des Gipfels erreicht hatten, überzog sich der Himmel mit dunklen Wolken, und Klaus bekam mit, daß sich Greg, Adam und Claude Bresson in irgendeinem Punkt nicht einig waren. An diesem Tag hielt das Wetter, und am nächsten Morgen brach die Gruppe kurz vor Tagesanbruch in Richtung Gemini Ridge auf. Dabei folgten sie einem befestigten Seil, das von Greg und zwei der Sherpas vorbereitet worden war. Laut Greg war alles so einfach, daß es selbst Kinder nicht überfordert hätte. Die von Greg gespannten Seile waren rot, die von Claude blau und die von Adam gelb. Den Kunden wurde gesagt, welcher Farbe sie folgen sollten. Nachdem sie den Grat hinter sich gelassen hatten und sich nur noch fünfzig Höhenmeter unterhalb des Gipfels befanden, sah Klaus, der mit Claude das Schlußlicht der Gruppe bildete, daß aus Richtung Norden bedrohliche Wolken aufzogen. Er fragte Claude, ob er deswegen keine Bedenken habe, aber dieser gab ihm keine Antwort. Rückblickend war Klaus nicht sicher, ob Claude einfach um jeden Preis auf den Gipfel wollte oder bereits krank war oder ob er seine Frage vielleicht gar nicht gehört hatte. Sie stiegen weiter, und etwa eine halbe Stunde später brach das Unwetter los. Um sie herum wurde es dunkel.

    Der Rest des Buchs war ein Alptraum. Klaus beschrieb das Desaster, wie er es – in seinem kranken, verwirrten und verängstigten Zustand – erlebt hatte. Er konnte weder etwas sehen noch etwas hören, nur hin und wieder tauchten aus dem Schneesturm Gestalten auf und verschwanden wieder. Inzwischen hatten sie sich quer über das Joch bis zu dem Punkt vorgekämpft, wo Claude rein theoretisch das blaue Seil angebracht hatte, das sie bis zum Gipfel führen sollte, aber zu diesem Zeitpunkt betrug die Sichtweite nur noch ein paar Schritte, und keiner verstand mehr, was der andere sagte, es sei denn, man schrie sich direkt ins Ohr. Der einzige, der aus diesem Chaos mit Klarheit hervortrat, als würde seine Gestalt immer wieder von Blitzen erhellt, war Adam. Er tauchte plötzlich aus dem Unwetter auf, verschwand wieder, tauchte erneut auf. Er schien überall gleichzeitig zu sein, hielt die Kommunikation aufrecht und führte die in zwei Gruppen aufgeteilten Kunden zu einer relativ geschützten Stelle auf dem Joch. Das wichtigste war zunächst, Greg und den schwerkranken Claude zu retten. Zusammen mit Klaus gelang es Adam, Claude, den sie mittlerweile fast tragen mußten, entlang des Seils bis zum obersten Camp zu bringen. Dann kehrten sie zu den anderen zurück, und gemeinsam halfen die beiden Greg nach unten.
    Inzwischen war auch Klaus vor Erschöpfung, Unterkühlung und Durst nicht mehr ganz bei Sinnen und brach in seinem Zelt zusammen. Adam ging allein zurück nach oben, um die praktisch hilflosen Kunden nach unten zu führen. Er brachte die erste Gruppe, zu der Françoise und vier andere gehörten, bis zum Anfang des Seils, von wo aus sie sich selbst bis zum Camp nach unten tasten sollten. Adam verließ sie, um die anderen zu holen. Aber als er mit der zweiten Gruppe zurückkam, war von dem befestigten Seil nichts mehr zu sehen. Offensichtlich war es vom Sturm weggeblasen worden. Inzwischen wurde es bereits Nacht, und der Wind hatte die Temperatur auf dreißig Grad unter Null fallen lassen. Adam führte die zweite Gruppe zurück zum Joch. Dann ging er allein und ohne Seil den Grat hinunter, um sein eigenes Seil zu holen und nachzusehen, ob von den anderen jemand in der Lage war, ihm zu helfen. Greg, Claude und Klaus waren ohne Bewußtsein, und von der ersten

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