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Höhlenangst

Höhlenangst

Titel: Höhlenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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dunkel. Außerdem wird es saupeinlich, wenn es nur ein Fehlalarm ist. Denn da unten kann niemand sein, Lisa.«
    »Und warum rennen wir so, wenn wir nur einem Höhlengeist aufgesessen sind?«
    »Weil wir eine Erklärung für das brauchen, was wir gehört haben.«
    Er öffnete die Heckklappe seines Geländewagens, nahm, ohne lange nachzudenken, alle fünf Schleifsäcke heraus und gab mir zwei. Dann ging es mit den baumelnden Säcken den ganzen langen Weg den Bergrücken entlang zurück. Die Sonne blitzte schon ziemlich schräg durch die Stämme des Westhangs. Während ich erst wieder zu Atem kommen musste, baute Hark ein Eisendreieck mit Flaschenzug über das Loch. Dann zog er Seile und Ausrüstung aus den Schleifsäcken.
    »Ich komme mit«, verkündete ich, als er in einen rotblauen Schlaz stieg.
    »Auf gar keinen Fall!«
    »Seile und Sitzgurte sind genügend vorhanden, und mit Steigklemmen kann ich inzwischen umgehen.«
    »Nein.«
    Ich riss einen zweiten Schlaz aus dem Schleifsack.
    »Nein, Lisa. Ich brauche jemanden hier am Flaschenzug mit dem Handy im Anschlag.«
    »Und wenn ich dir nachsteigen muss, Hark? Dann täte ich es in einem mir völlig unbekannten Schacht. Oder kannst du mir garantieren, dass du keinen klaustrophobischen Anfall bekommst?«
    »Nein. Und genau deshalb bleibst du oben. Ich kann nicht für deine Sicherheit garantieren. Wer weiß, wozu ich imstande bin, wenn ich mit dir alleine da unten bin, wo Sibylle ums Leben kam.«
    »Und ich kann nicht für deine Sicherheit garantieren«, sagte ich. »So ist das nun mal unter erwachsenen Menschen.«
    »Nein!«, sagte er. »Nur über meine Leiche.«
    Ich trat auf ihn zu, packte ihn an dem unzerreißbaren Kragen seines Schlazes und fegte ihm, ehe er sich versah, mit dem Fuß das Bein weg. Und schon lag er rücklings unter mir. Einem solchen Angriff hätte auch ein Judoka mit Schwarzgurt nichts entgegenzusetzen gehabt.
    »Glaubst du mir jetzt, dass ich für mich selbst Verantwortung übernehmen kann?«
    »Herrgottsack!« Er schlug meine ausgestreckte Hand aus und stand hastig auf. »Vor dir muss man sich ja höllisch in Acht nehmen!«
    Ich beendete die Demonstration mit einer japanischen Kampfsportverbeugung.
    Er lachte. »Was kann ich da noch sagen? Aber du bleibst immer über mir. Verstanden. Nie zwischen mich und den Abgrund! Was auch immer passiert!«
    Ich nickte.
    Daraufhin erbat er sich noch einmal mein Handy und rief bei der Eseleck- Wirtin an, um eine Rückkehrzeit durchzugeben.
    Während ich in Schlaz und Bergstiefel meiner Größe stieg, fragte ich mich erneut, ob ich nicht am Ende doch in eine von ihm unvorstellbar raffiniert ausgelegte Falle tappte. Vielleicht hatte nur sein Handy geklingelt, das unten im Schacht lag. Und schon stieg ich mit ihm hinunter, wo er der Herr der Lage war. Und Haugk hatte er in die Mondscheinhöhle bekommen, weil er ihm etwas von einer teuren Uhr erzählt hatte, die er gegen Finderlohn für ihn hochholen solle, da er selbst wegen seiner Klaust rophobie keine Höhle mehr befahren konnte. Und Haugk hatte dem gebrochenen und gehörnten Witwer ein glitschiges Grinsen geschenkt und nicht gemerkt, dass ihn seine Geldgier blendete.
    Hark ließ den Erste-Hilfe-Sack über den Flaschenzug in die Tiefe, bis er irgendwo auflag. Dann überprüfte er meine Ausrüstung und fädelte mir den Petzl-Stop ins Seil. Loslassen! Ich schaute zu, wie er sich ins enge Loch hinunterließ, und versuchte es genauso zu machen. Immerhin ging es nicht im freien Fall hinunter. Ich gelangte über den ersten Absatz in die so genannte Eingangshalle, in der Hark auf mich wartete. Schartiger Fels und trockener Sinter schwankten im Schein der Stirnlampen auf unseren Helmen. Auf abschüssigem Grund lag der Schleifsack. Hark fixierte ihn, indem er das Seil um einen kleinen Stalaktitenknubbel schlang. Sein Atem ging schneller, als es zu seiner Kondition passte, sein Gesicht war unbewegt. »Ich steige voran«, ordnete er an. Ich sah ihn im Loch verschwinden, hörte das leise Klirren der Karabiner, das Schleifen des Anzugs am Fels.
    Da, auf einmal echote wieder dieses kurze Wimmern von allen Wänden, fast ein Jaulen, deutlich hörbar, aber aus tiefer Gruft. Ein Schauer rieselte mir zusammen mit Schweißfäden unter dem Schlaz über den Rücken.
    »Du kannst kommen!«, hörte ich Hark heraufhallen.
    Ein Hymen verengte die Scheide. Den Blick auf Harks schlaffes Seil gerichtet und auf den Abseiler konzentriert – Loslassen! – rutschte ich durch. Hark wartete auf

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