Höhlenwelt-Saga 03 - Der dunkle Pakt
rührte, rettete ihr das Leben. Kaum, dass Victor drei Schritte gemacht hatte, krachte keine halbe Elle vor ihr der monströse Hängelüster auf den Kachelboden - sie hätte es niemals überlebt, wäre sie auch nur einen einzigen Schritt weiter gegangen. Während der Aufprall des Lüsters noch wie ein Donnerschlag durch den riesigen Saal hallte, stieß Roya einen entsetzten Schrei aus und kippte nach hinten um. Augenblicke später war Victor bei ihr und hielt sie fest im Arm.
Sie keuchten beide; Royas Augen waren vor Schreck geweitet und starrten den Lüster an, der sich unter metallisch rasselnden Geräuschen langsam wieder nach oben in Bewegung setzte. Mit einer Mischung aus Entsetzen und Faszination konnten sie mitverfolgen, wie sich die ineinander geschobenen metallenen Ringe und Verbindungsketten ordentlich auseinander falteten, als der Lüster weiter nach oben stieg. Wundersamerweise war der großen Steinfliese, auf die er heruntergekracht war, nicht der kleinste Kratzer anzusehen.
Ein verflucht sorgfältig konstruiertes Mordwerkzeug, dachte Victor.
Als Roya wieder einigermaßen zu Atem gekommen war, sah sie ihn verschreckt an. Sie hatte Tränen in den Augen. »Fallende Hängelüster hatte ich vergessen«, flüsterte sie.
Victor schnaufte. Plötzliche Wut schäumte in ihm hoch. »Verdammt«, fuhr er sie an. »Du passt ab jetzt auf, verstanden?« Er ließ sie los und stand abrupt auf. Im gleichen Moment wusste er aber auch, dass er ihr Unrecht tat. Seine Wut bezog sich auf die Erbauer dieser mörderischen Falle, nicht auf Roya.
Sie senkte den Blick wie ein schuldbewusstes Kind und umschlang sitzend ihre Knie mit den Armen, als wollte sie sich in sich selbst verkriechen. Victor hörte sie leise schluchzen. Er holte Luft, beschloss dann aber, sie jetzt nicht weiter zu trösten. Dieser Schock sollte ihr bis ins Mark gehen und sie vorsichtig machen. Er zog sie langsam auf die Beine. »Komm jetzt«, sagte er knapp. Sie schniefte noch ein bisschen, aber dann ging es wieder.
Victor versuchte, seinen Gefühlstumult zu dämpfen. Er biss die Zähne aufeinander, während er beobachtete, wie der Lüster mit einem lauten Klack in seiner Ausgangsposition unter der Decke einrastete. Irgendein geheimnisvoller Mechanismus hatte ihn für sein nächstes Opfer wieder nach oben gezogen. Aber anscheinend hatte es nie zuvor eines gegeben, denn sonst hätten hier die Überreste liegen müssen. Ausgebleichte Knochen - ganz wie es sich für einen so grausigen Ort wie diesen hier gehörte.
Sie umrundeten vorsichtig die mörderische Falle und hielten nun ständig Ausschau nach weiteren. Immerhin waren sie jetzt vorgewarnt. Der Spuk dort draußen im Innenhof, den sie aufgedeckt hatten, war zwar unecht, aber das hieß nicht, dass es hier nicht eine Menge tödlicher Fallen geben konnte. Und vielleicht auch solche, die mittels Magie funktionierten. Mit höchster Aufmerksamkeit musterten sie ihre Umgebung und erreichten schließlich den Fuß der steilen Treppe.
4 ♦ Ein Schritt ins Dunkel
Es gibt Dinge, die mehr wehtun als die schlimmsten Wunden, die man bei einem Kampf davonträgt. Es sind die Verletzungen der Seele, die einem entgegen dem, was man verdient hat, von den eigenen Freunden zugefügt werden.
Bisher hatte Leandra im Lauf all der gefährlichen Begebenheiten noch nie Verletzungen dieser Art einstecken müssen. Es waren immer nur die Bösen gewesen, die ihr etwas hatten antun wollen, die Ungerechten und Skrupellosen. Von ihnen hätte sie auch nie etwas anderes erwartet. Dass ihr jetzt aber die Guten etwas Böses zufügen wollten, konnte sie einfach nicht begreifen.
Sie waren abgeführt worden, um in den Verliesen des Palastes von Savalgor eingesperrt zu werden. Alles in ihr bäumte sich auf. Meister Fujima hatte beide Hände voll zu tun, sie daran zu hindern, sich in ihrem ohnmächtigen Zorn mit einem magischen Schlag aus der Gewalt ihrer Peiniger zu befreien. Sie war in der rechten Stimmung, den halben Palast in Trümmer zu legen. Und dass sie inzwischen gar nicht mehr so weit davon entfernt war, etwas dergleichen zu schaffen, wussten sowohl sie selbst als auch Meister Fujima und sogar die Wachleute, die sie abführten.
Die Soldaten machten alles andere als glückliche Gesichter, während sie mit den Gefangenen - Leandra, Meister Fujima, Gildenmeister Xarbas, Hellami und Jacko - die schmalen Treppenstufen zu den Kerkern hinabstiegen. Leandra und ihre Freunde waren womöglich eine der schlagkräftigsten Gruppen in
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