Höhlenwelt-Saga 1 - Die Bruderschaft von Yoor
Stygium zu dem Knotenpunkt jenseitiger Energien und erzeugte dort ein massives Defizit an stygischen Energien. Starke vitale Kräfte wirkten auf das Stygium ebenso wie ein starkes Gift auf einen gesunden Körper. Um dieses Defizit auszugleichen, strömten stygische Kräfte, die sich durch das Trivocum im Diesseits ausgebreitet hatten, wieder zurück in ihre angestammte Sphäre. Die kleine Aura im Diesseits, die Munuel auf diese Weise fast vollkommen von stygischen Kräften reinigen konnte, konzentrierte er auf ihre Wunde. Jede Arznei, die in diesen Momenten auf Leandras Schulter aufgetragen wurde, wirkte wahre Wunder.
Man konnte den Heilungsprozess beinahe mit den Augen verfolgen. Leandra genoss diese Minuten, denn sie taten ihr unglaublich wohl. Sie profitierte indes auch von ihrer Jugend und erholte sich erfreulich schnell. Nach drei Tagen hatte sich die Wunde vollständig verschlossen, neues Gewebe hatte sich gebildet und die geprellten und verletzten Sehnen und Muskelfasern waren zusammengewachsen. Sie begann so früh wie möglich mit leichten Schulterübungen, um ein Vernarben und Verknorpeln der verletzten Stelle zu verhindern.
Munuel kostete dies einiges seiner Kräfte. Er zwang sich dazu, die stygischen Energien in eisernem Griff zu halten, um nicht das geringste Risiko einzugehen. Nach wenigen Tagen schon war seine Übung darin so groß geworden, dass es ihm selbst nicht mehr ganz geheuer war. Trotzdem nahmen seine Kräfte ab, und als Leandras Wunde sich deutlich verbessert hatte, erklärte er ihr, dass sie jetzt mit den Heilzaubern aufhören müssten, sie würden zu sehr an seine Kräfte gehen. Sie schöpfte keinen Verdacht - ebenso wenig, wie sie das komplizierte Geheimnis seiner Magie zu durchschauen vermochte.
Victor war schon nach wenigen Tagen wieder gut in Form und hatte seinen Blessuren überwunden. So genossen sie das Glück, vor ihrer nächsten großen Aufgabe ihre Kräfte zu sammeln.
Sie diskutierten über das Phänomen, dass die Jambala tatsächlich etwas von ihrer Kraft auf Victors Schwert übertragen hatte. Victor bestätigte, sein Schwert habe während des Kampfes für einige Minuten eine unerhörte Durchschlagskraft besessen, - mit der es ihm schließlich gelungen war, das dritte große Schattenwesen sogar mit seinem zerbrochenen Schwert zu besiegen. Nach dem Kampf war der Rest seines Schwertes bloß wieder ein kaltes Stück Metall gewesen - die Kräfte der Jambala in ihm waren versiegt.
Wann immer Victor Zeit fand, übte er mit dem zweiten Schwert, das er aus Zarkos' Schmiede mitgenommen hatte, wenngleich kaum mehr als ein Stück Schrott. Eine uralte, halb verrostete Waffe, die darauf hindeutete, dass der lebende Zarkos leider kein besonders guter Schmied gewesen war.
Auch Leandra übte ab und zu mit Jambala, wenn es ihre Schulter gestattete. Ein seltsames Phänomen bestand jedoch darin, dass sie nach jedem Gebrauch der Jambala sichtlich erschöpft war. Es zog sie danach immer wieder zu Victor hin, und einmal schlief sie sogar in seinen Armen ein.
Munuel zog sich oft zurück und sinnierte über die seltsame Begegnung mit Chast. Hinter dem rätselhaften Mädchen steckte ein großes Geheimnis. Er ahnte, dass sie wieder auftauchen würde. Gegenüber seinen Gefährten erwähnte er sie nicht. Der Hinweis Chasts, dass sie seine Shaba sein würde, war ihm nicht geheuer. Er wollte erst mehr über sie in Erfahrung bringen - wenn ihm das irgendwie gelang.
Am sechsten Tag rief Munuel Leandra und Victor zu sich.
»Ich muss mit euch reden, Kinder«, sagte er väterlich, und allein das veranlasste Leandra schon wieder, unbewusst die Arme nach Victor auszustrecken, so als wären sie Schwesterlein und Brüderlein, die sich gegenseitig festhielten, wenn der gestrenge Papa zu ihnen sprach. Von einem plötzlichen Impuls getrieben, zog sie sich wieder zurück. Victor reagierte verwundert.
»Ich möchte, dass wir uns für einen Tag trennen«, eröffnete er ihnen. »Wir sind jetzt bald in Tharul, und ich kenne hier in der Gegend einen alten Kampfesgenossen, den ich aufsuchen möchte. Er heißt Hennor. Ich möchte ihn fragen, ob er mit uns kommen will. Ich glaube, es wäre gut, wenn wir noch einen Gefährten hätten, denn die Gefahren werden zu groß. Wir haben schon gesehen, wie wichtig du, Victor, für uns wurdest - ohne dich hätten wir diesen Ort hier nicht erreicht. Ein weiterer Magier in unserer Gruppe würde mich sehr beruhigen.«
»Und was sollen wir tun?«, fragte Leandra. »Sollen wir hier
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