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Höhlenwelt-Saga 5 - Die Schwestern des Windes

Titel: Höhlenwelt-Saga 5 - Die Schwestern des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Evers
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Wellen des Schreckens erschütterte Weile überlegte er, ob er antworten sollte oder aber besser schnell wieder ging.
    Dann holte er vorsichtig Luft, als wäre sie heiß und er könnte sich die Lungenhärchen verbrennen.
    »Ja«, hauchte er. »Ich habe ihn gesehen.«
    Der Alte ließ ein irres Kichern hören.
    Aus irgendeinem Grund schlug Rasnors Herz plötzlich dröhnend, für Augenblicke fürchtete er wahrhaftig einen Herzanfall, dann verebbte das beängstigende Gefühl wieder.
    Die zischelnde Stimme des Alten erklang wieder.
    »Er hat zu tief gewühlt, verstehst du? Zu tief!«
    Wieder das Kichern.
    Rasnor würgte einen ekelhaft kantigen Kloß herunter. »Zu...
    tief? Was meinst du damit? Wo hat er gewühlt?«
    Es dauerte stets eine kurze Weile, ehe der Alte antwortete. »Wo glaubst du wohl? In der Tiefe, natürlich!«
    Etwas in der Art hatte Rasnor bereits erwartet.
    Etwas Rätselhaftes, Verschlüsseltes, Kryptisches.
    »Willst du auch wühlen?«, fragte der Wächter.
    »Ich?« Rasnor schluckte. »Ich... ich weiß nicht.«
    Der Alte kicherte wieder. »Tu es nicht«, sagte er, aber seine Worte klangen eher wie eine Aufforderung.
    Rasnor brachte allen Mut auf. »Und... wenn doch?«
    »Sardin hat es versucht, Chast hat es versucht, und zwischen ihnen ein Dutzend andere. Keiner hat es beherrschen können. Es sind die Geheimnisse der Alten!«
    Rasnor schauderte.
    Plötzlich stand er auf der gleichen Stufe mit den legendären Meistern der Bruderschaft. Hier schien sich eine Möglichkeit zu bieten, mit diesen Männern gleichzuziehen – ja, sie vielleicht sogar zu übertreffen. Ihm musste nur eins gelingen: Es zu beherrschen – was immer Es auch war. Er lachte auf, nicht minder irr als der verrückte Wächter.
    Der Alte hatte genau gewusst, wer ihn da besuchte und warum.
    Ich sehe es mir einmal an, sagte er sich. Ja, das werde ich tun!
    »Wo... muss ich graben?«, hauchte er.
    »Nicht graben! Wühlen! Mit bloßen Händen. Auf deinen Knien.
    In den tiefsten Abgründen.«
    Rasnor wagte nicht zu antworten, wagte nicht, ja zu sagen.
    Lange Zeit herrschte Stille, die so eindringlich wurde, dass Rasnor zuletzt kaum mehr zu atmen wagte. Kalter Schweiß trat auf seine Stirn. Er hatte das schwindelnde Gefühl, bereits den entscheidenden Schritt zu weit gegangen zu sein.
    Als er es nicht mehr aushielt, schnappte er nach Luft – ein Geräusch, das wie ein Quietschen durch die Stille der Turmkammer schnitt.
    Der Alte kicherte wieder, dieses Mal laut, als empfände er unendliches Vergnügen.
    Rasnor verlor die Nerven. Er beschloss zu verschwinden, und zwar auf der Stelle. Unter aufkommender Panik kämpfte er sich auf die Füße, griff nach dem Kerzenleuchter und wandte sich der Tür zu.
    Schon im ersten Augenblick, da er dem Alten den Rücken zuwandte, packte ihn das Gefühl, als streckte ein namenloser Horror von hinten seine Klaue nach ihm aus. Er stieß ein gequältes Heulen aus, als ihn zwei leise geflüsterte Worte von hinten erreichten. Zwei Worte, die ihm die Nackenhaare aufstellten und ihm mehr Angst einjagten als irgend etwas zuvor in seinem Leben – und er hatte so manches gesehen.
    »Frag ihn!«
    Zwei Herzschläge darauf hatte Rasnor die Tür erreicht, stieß sie auf und ließ sich förmlich hinausfallen, nicht mehr auf den Kerzenleuchter achtend, der ihm aus der Hand glitt und polternd das schmale, verwinkelte Stiegenhaus hinabfiel. Während aus dem Raum des Alten ein meckerndes, anschwellendes Lachen tönte, trat er die verfluchte Tür mit den Füßen zu, stemmte sich hoch und eilte in vollkommener Dunkelheit die steilen Stufen herab. Er stieß sich Kopf, Ellbogen und Schienbeine, doch das spürte er schon gar nicht mehr; nur fort wollte er von hier, nur fort. Unten angekommen, stolperte er über den erloschenen Kerzenleuchter, rappelte sich wieder auf und versuchte aus der Erinnerung den Verlauf des Ganges wieder zu finden. Polternd bahnte er sich seinen Weg; erst sehr spät wurde ihm klar, dass er vor Septos ein Gesicht zu wahren hatte – er, der neue schreckliche Hohe Meister der Bruderschaft, der gerade einen Moment des Grauens erlebt hatte, den er selbst nie würde überbieten können. Jedenfalls nicht dann, wenn er vorhatte, halbwegs auf der Seite der geistig Gesunden zu bleiben. Vom Lärm angelockt, kam ihm im unteren Gang Prior Septon mit seiner einzelnen Kerze entgegen. »Hoher Meister!«, rief er besorgt. »Beim Felsenhimmel! Ist Euch etwas zugestoßen?«
    Mit einer regelrechten Kraftanstrengung riss sich

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