Höhlenwelt-Saga 5 - Die Schwestern des Windes
uneigennützige Liebe sie Victor entgegenbrachte.
Und zugleich erkannte sie, dass Victor es offenbar noch immer nicht geschafft hatte, den letzten Schritt auf Alina zu zu tun.
Warum konnte er es nicht? Einmal hatte er sogar Leandra gegenüber zugegeben, dass er Alina mochte und dass ihm Marie, sein kleiner Sohn, inzwischen sehr ans Herz gewachsen war.
Leandra wusste nicht, auf welche Weise sie dieses Thema aufgreifen sollte, wenngleich sie spürte, dass Alina jemanden brauchte, mit dem sie darüber reden konnte. Ausweichend fragte sie: »Die Amtsgeschäfte? Ist es das, was dir Kummer bereitet?«
Alina zuckte mit den Schultern. »Kummer ist etwas anderes.
Aber schau mich an: Ich sitze hier in meinen Gemächern, anstatt irgendwo dort unten mit den wichtigen Herren zu debattieren. Ich bin eine schutzbedürftige Mutter, man badet mich in Milch und Honig, gibt mir feine Speisen – aber zu sagen habe ich im Rat kaum etwas. Dabei gibt es Dinge, um die man sich dringend kümmern müsste.« Sie schnaufte missmutig. »Ich bin allein. Eine Weile hat Victor versucht, mir zu helfen, aber seit Jacko und Hellami auseinander sind, kümmert Victor sich um ihn…«
»Jacko und Hellami? Sie sind auseinander?« Alina zuckte die Achseln. »Ja, leider. Ich fürchte, darauf läuft es hinaus. Hellami hat sich verändert. Sie ist plötzlich ganz verschlossen und abweisend geworden. Jacko leidet furchtbar darunter, und Victor ist nun ständig bei ihm.«
»Du hattest ihm und seinen Männern doch angeboten, so eine Art persönliche Garde für dich zu bilden.« Alina lachte auf. »Da sagst du vielleicht was! Das wäre wirklich eine fabelhafte Sache gewesen; wie gut könnte ich ihre Unterstützung gebrauchen.
Aber diese Garde ins Leben zu rufen – allein schaffe ich das einfach nicht. Mir fehlt es an Einfluss, das im Rat durchzusetzen.
Offiziell ist ja die Palastwache meine Garde. Und im Hierokratischen Rat behandeln sie mich wie ein kleines Mädchen.« Alina erhob sich und untermalte ihre Rede mit Gesten, während sie auf und ab marschierte. »Ja, liebe Shaba, wir machen das schon!, heißt es dann. Geht nur und lasst Euch die Fingernägel maniküren!« Sie blieb stehen. »Ich müsste ständig von meinen zwölf Stimmen Gebrauch machen, um mich über sie hinwegzusetzen.
Aber das würde mich in kürzester Zeit ins Abseits manövrieren.«
Leandra runzelte die Stirn. »Aber du bist doch die Shaba! Du kannst bestimmen, was dort geschieht!« Alina schüttelte entschieden den Kopf. »Dachte ich anfangs auch. Aber so einfach ist das leider nicht. Ich brauche Rückhalt im Rat. Und je häufiger ich meine zwölf Stimmen einsetze, desto mehr tun sie sich gegen mich zusammen. Viele Fragen werden vom Tagesgeschäft bestimmt, und da haben selbst die >Guten< noch so mancherlei Eigeninteressen. Na ja, ich habe immerhin Primas Ulkan. Erinnerst du dich noch an ihn? Er hält treu zu mir. Er ist jetzt sogar Ratsvorsitzender.«
»Und… was ist mit Munuel? Und dem Primas?« Wieder winkte Alina ab. »Anfangs waren sie mit dem Wiederaufbau des Ordens beschäftigt. Nun sind sie schon seit vielen Wochen fort. Sie verfolgen irgendeine Sache, aber ich weiß nicht, was. Irgendwelche Spuren aus der Vergangenheit, sagte Munuel einmal. Es mag ja sein, dass es sehr wichtig ist, aber meine Lage verbessert es nicht. Ich sitze hier allein, und von Tag zu Tag schrumpft mein Einfluss. Zudem gibt es noch immer so manchen zwielichtigen Kandidaten unter den Ratsherren, weißt du? Bruderschaftler, meine ich.« Leandra erschauerte. Sie richtete sich auf. »Bruderschaftler? Bist du sicher?« Alina blieb endlich stehen. Ihr Auf-undab-Marschieren hatte Leandra nervös gemacht. »Keine Sorge, Leandra – ich bezweifle, dass die Bruderschaft selbst noch aktiv ist. Doch damals, während ihrer Herrschaft, haben viele Leute in höheren Positionen Geld und Macht angehäuft. Wer einmal in solch eine Position gelangt ist, der lässt sie nicht so einfach wieder los. Mir ist erst in den letzten Monaten klar geworden, wie viele Beziehungen diese Leute geknüpft haben müssen. Einige von ihnen sitzen noch immer im Rat. Aber vor allem dreht es sich um Leute im Savalgorer Magistrat, in der Stadtwache, der Armee, den Behörden und was weiß ich noch alles. Da gibt es etliche, die sich damals ganz schön bereichert haben. Und jetzt verfügen sie, zusammengenommen, über ein hübsches Stück Einfluss.« Wieder hob sie die Arme. »Und nun sieh mich an! Ich sitze hier in meinen Zimmern, habe
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