Höhlenwelt-Saga 5 - Die Schwestern des Windes
Marie auf dem Arm und will die Dinge zum Besseren wenden. Aber womit? Mit der Macht meines Namens?« Sie lachte spöttisch auf. »In so einem Palast, Leandra, ist die Gegenwart von Tücke, Hinterlist und Vetternwirtschaft das Einzige, worauf du wirklich zählen kannst!«
Leandra runzelte die Stirn. Ihr kam der hässliche Verdacht, dass sie Alina im Stich gelassen hatte. Und nicht nur sie, sondern auch andere.
»Das eine«, sagte Alina.
»Das wäre das »Das eine«?«
Alina presste die Lippen aufeinander und nickte. Wieder lief Leandra ein Schauer den Rücken herunter. »Und?«, fragte sie zaghaft. »Was ist das… andere?«
Alina seufzte unentschlossen, setzte sich neben Leandra und strich sich mit den Fingerspitzen das Haar übers Ohr. Eine Geste vollkommener Anmut. In diesem Augenblick konnte Leandra Victor nicht verstehen – dass er sich so sehr gegen Alina stemmte.
Sie war nicht nur klug und besaß Ausstrahlungskraft – nein, sie war auch noch die schönste und anmutigste junge Frau, die man sich überhaupt nur vorstellen konnte. Leandra kam sich neben ihr plump und hässlich wie eine Ente vor. Dann, als sie Alina voller Bewunderung betrachtete, fiel ihr etwas auf. »Was hast du da?«, fragte sie mit einem Blick auf den Halsausschnitt von Alinas Kleid.
Sie deutete auf eine Stelle am Schlüsselbein.
Alina blickte an sich herab. »Ach, nichts«, sagte sie und lupfte den Stoff ihres Kleides darüber. Als aus dem Nebenraum ein leises Glucksen hörbar wurde, erhob sich Alina und kehrte mit Marie auf dem Arm zurück. Allerdings hielt sie ihn nicht länger wiegend in der Armbeuge; stattdessen saß ein strammer kleiner Bursche auf ihrem Unterarm und glotzte Leandra neugierig aus seinen großen blauen Victor-Augen an.
»Beim Felsenhimmel!«, rief Leandra. »Ist er groß geworden!«
Alina musste nichts mehr sagen. Allein das war genug Hinweis darauf, wie viel Zeit inzwischen vergangen war. Zeit, die Alina offenbar ganz allein hier verbracht hatte, in dem hoffnungslosen Bestreben, die verdrehten Verhältnisse in Akrania nach diesen Monaten des Unheils wieder zu entwirren.
Leandra suchte verlegen nach Ausflüchten. »Wo ist Hellami?
Und Azrani und Marina?«
»Hellami ist bei Jackos Leuten sehr beliebt«, sagte Alina milde lächelnd und setzte sich. »Sie zivilisiert seine Bande. Sehr zu Jackos Unmut.
Übrigens auch meinen alten Freund Matz.«
Mark begann mit den Armen zu fuchteln und zu brabbeln. Alina setzte ihn auf den weichen Teppich, und er krabbelte sofort aufgeregt umher - mit unbekanntem Ziel.
»Matz? Du meinst den Schankwirt aus dem Roten Ochsen? Der dir damals aus der Stadt geholfen hat?«
»Genau den. Und was Azrani und Marina angeht: sie besuchen mich oft. Sie sind sehr lieb und hilfsbereit, aber, nun ja, sie haben keine große Begabung in Sachen Politik. Und Einfluss natürlich überhaupt keinen. Ich glaube, sie haben ihren Spaß daran, dem Primas zu helfen und in irgendwelchen vergessenen Katakomben und Kellern herumzustöbern.
Sie fördern reihenweise alte Schriftstücke und Landkarten zutage und verdrehen dabei den Adepten des Ordenshauses die Köpfe. Das haben sie ja die ganze Zeit über gemacht.«
Leandra lachte leise auf. »Den Adepten die Köpfe verdreht…?«
Alina hob kopfschüttelnd die Hand. »Nein, nein.
Alte Karten und Schriftstücke ausgraben. Das liegt ihnen. Aber leider hilft es mir nicht weiter.«
Leandra schluckte verlegen. Es stimmte also: Sie alle hatten Alina allein gelassen. Leandra kam sich gemein vor.
Als hätte Alina ihren Selbstzweifel gespürt, sagte sie rasch: »Es ist ja nicht so, dass jemand herumgefaulenzt hätte, aber…«
»Ich habe gefaulenzt!«, erwiderte Leandra laut.
Alina setzte ein ungläubiges Grinsen auf. »Du?«
»Allerdings. Wie ein alter Dorfköter. Ich hab mich in die Sonne gelegt und mich von sämtlichen Bürgern Angadoors verwöhnen lassen. Ich bin schon richtig fett geworden!« Sie packte ihren Bauch und versuchte eine Speckrolle zu formen. Viel bekam sie nicht zu fassen.
Alina kicherte leise. »Na, egal. Nun bist du ja da.«
Leandra nahm sich zusammen. »Was war das nun mit der zweiten Sache?«, wollte sie wissen.
Alina zog die Brauen hoch. »Der… zweiten Sache?
Ach so, ja.« Ihre Miene verfinsterte sich. »Die Drakken.«
Leandra wartete.
»Es gibt noch welche«, eröffnete ihr Alina.
Leandra nickte. »Das hab ich befürchtet. Viele?«
»Nein, das wohl nicht. Aber sie haben etwas vor.
Wir versuchen gerade, dahinter zu
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