Hölle unter Null Grad
werden alles tun, was in unserer Macht steht, Sir. Der Mann ist hochgradig verseucht. Unsere Gammazähler ticken nicht mehr, sondern pfeifen nur noch. Außerdem haben sich gefährliche Beta- und Alpha-Strahler auf der Hautoberfläche abgesetzt. Der Körper hat in einem Zeitraum von nur zwei bis drei Stunden etwa fünfhundert Röntgeneinheiten aufgenommen. Sie wissen, daß sechshundert unbedingt tödlich wirken. Der Mann ist nicht mehr zu retten, zumal Beta-Strahler mit dem geschluckten Seewasser in den Körper gekommen sind.«
»Bringen Sie ihn zu Bewußtsein, Doktor«, wiederholte der Alte seine Forderung.
Der Arzt verließ den Raum, nachdem er den Sitz seiner Kopfhülle überprüft hatte.
Etwas veranlaßte mich, die Lippen zu einem leisen Pfiff zu spitzen. Der Mann, von dem gesprochen worden war, mußte wichtig sein.
Während ich noch darüber nachgrübelte, murmelte Reling einige Worte in sein Taschensprechgerät. Augenblicke später kam ein maskierter Kollege zur Tür herein. Wir wurden ihm nicht vorgestellt, und er verhielt sich, als sähe er uns nicht.
Das war typisch für die strengen Sicherheitsmaßnahmen, nach denen wir jedem Menschen mit Mißtrauen zu begegnen hatten. Bestimmt hätte mir der Mann gern die Hand gegeben. Aufgrund der Vorschriften aber mußte er für mich ein absolut Fremder bleiben, dessen Gesicht ich nicht sehen durfte.
Der Chef deutete auf die Tür. Wortlos zog der Agent die schwere Thermo-Rak-Spezialpistole aus dem Schulterhalfter. Da er keinen Schutzanzug trug, war ich davon überzeugt, daß er bei dem bevorstehenden Verhör nicht anwesend sein würde.
Während die Tür zurückglitt, hörte ich seine Anweisungen, mit denen er die draußen postierten FBI-Leute wegschickte. Der Alte wollte also keine Lauscher in der Nähe haben. Die Bundespolizisten mußten das für Mißtrauen halten. Ich konnte sehen, daß sie meinem Kollegen unfreundliche Blicke zuwarfen.
TS-19 lachte leise, da er sich anscheinend die Gefühle der Männer vorstellte.
»Lassen Sie das«, wurde er von Reling zurechtgewiesen. »Setzen Sie sich! Leutnant, Sie gehen an die andere Tür. Passen Sie auf. Ich möchte nicht gestört werden.«
Ich setzte mich vorsichtig auf den zerbrechlich wirkenden Kunststoffstuhl, dessen abstrakte Formgebung mir nicht gefiel. Der Schutzanzug erschien mir hinderlich. Außerdem störte mich der perlende Schweiß unter der Maske. Das Material war zwar luftdurchlässig, trotzdem schwitzte ich heftig.
Der Chef warf mir einen prüfenden Blick zu. Ich kannte ihn zu genau, um nicht zu ahnen, daß er mir eine schwerwiegende Nachricht mitzuteilen hatte.
Er öffnete die von dem Kollegen überbrachte Aktentasche, entnahm ihr ein dreidimensionales Farbfoto und schob es nur über die ebenfalls abstrakt geformte Tischplatte zu. Es war das Brustbild eines uniformierten Mannes.
»Ein Fregattenkapitän der Navy?« fragte ich.
»Genau. Fregattenkapitän Carder Sundlay, ehemaliger Angehöriger der US-Navy und Exkommandant eines Unterseekreuzers des 2. Südatlantik-Geschwaders. Wegen schwerer Dienstvergehen am 25.2.2000 nach einer kriegsgerichtlichen Verhandlung degradiert und unehrenhaft entlassen worden. Seitdem spurlos verschollen. Nachträgliche Fahndung des FBI verlief ergebnislos. Heute tauchte er wieder auf, aber er ist ein menschliches Wrack. Das wären die Daten über Sundlay.«
Ich sah unwillkürlich auf die Doppeltür, hinter der Mediziner und Biologen bemüht waren, den Tod aufzuhalten und ein bereits inaktives Gehirn noch einmal in Gang zu bringen. TS-19 beobachtete mich schweigend. Auch er schien allmählich zu begreifen, daß der
Weitere Kostenlose Bücher