Höllenjagd
Wasser kann man nicht trinken, aber ich habe eine Gallone von einer Pferdetränke heraufgeschafft.«
»Also Kaffee«, sagte Bell mit leichter Besorgnis.
Murphy führte Bell ins Haus und bot ihm einen Stuhl am Küchentisch an. Es gab keinerlei Anzeichen für die Anwesenheit einer Frau, und Bell nahm an, dass Murphy Junggeselle war. Der Sheriff nahm einen Emailletopf vom Holzofen und goss den Kaffee in zwei Blechbecher.
»Ich weiß nicht, wie ich Ihnen helfen könnte, Mr. Bell. Ich habe meine Erkenntnisse an Ihr Büro in Chicago weitergeleitet.«
»Aber Sie haben nichts von Jack Carsons Beobachtung erwähnt.«
Murphy lachte. »Der Kerl auf dem Motorrad? Ich glaube nicht, was Jack da angeblich gesehen hat. Die Beschreibung passt auf niemanden in der Stadt, den ich kenne.«
»Der Verbrecher könnte seine Verkleidung gewechselt haben«, gab Bell zu bedenken.
»Er hätte nicht genug Zeit gehabt, um sein Äußeres völlig zu verändern, sein Motorrad zu holen und dann auf und davon zu fahren.«
»Der Fahrer und die Maschine sind nicht mehr gesehen worden?«
Murphy zuckte mit den Schultern. »Kommt mir schon sonderbar vor, dass niemand außer Jack ihn gesehen hat. Ein Mann auf dem einzigen Motorrad in der Stadt müsste doch auffallen. Und wie soll er aus der Stadt gefahren sein, ohne eine Spur zu hinterlassen?«
»Ich gebe zu, es klingt ein bisschen an den Haaren herbeigezogen«, sagte Bell, der diese Zeugenaussage nicht abtun wollte.
»Jack Carson war ein aufrechter Bürger, der weder viel getrunken noch irgendwelche Lügengeschichten erzählt hat. Aber ich glaube, er hat sich das eingebildet.«
»Gab es noch andere Hinweise, die nicht in Ihrem Bericht standen?«
»Es ist etwas aufgetaucht, nachdem ich den Bericht bereits nach Chicago geschickt hatte.« Murphy stand vom Küchentisch auf, ging zu einem Rollladenschreibtisch und öffnete eine Schublade. Er reichte Bell eine Messingpatronenhülse. »Die wurde zwei Wochen später von einem Jungen gefunden, der auf dem Fußboden der Bank gespielt hat, während sein Vater Geld einzahlte. Sie lag unter einem Teppich. Der Verbrecher muss sie verloren haben.«
Bell betrachtete die Hülse. »Kaliber 38. Wenn sie ausgeworfen wurde, muss sie aus einer Automatikwaffe stammen, wahrscheinlich einem Colt.«
»Das habe ich auch vermutet.«
»Darf ich sie behalten?«, fragte Bell.
»Sicher. Aber ich bezweifle, dass sie Ihnen mehr verrät, als dass sie aus der Waffe des Bankräubers stammt. Und selbst das ist nicht bewiesen.«
»Wenn nicht von dem Bankräuber, von wem soll sie dann sein?«
Murphy hob die Hände in einer hilflosen Geste. »Keine Ahnung.«
Bell hielt die Patronenhülse vorsichtig in seiner Handfläche. »Hoffentlich können wir die Fingerabdrücke des Räubers nehmen.«
Murphy grinste. »Sie werden meine ebenso wie die des Jungen und zweier meiner Kollegen finden.«
»Trotzdem«, sagte Bell optimistisch, »haben unsere Experten vielleicht Erfolg. Wir brauchen keine Abdrücke von dem Jungen, der sie gefunden hat, um sie abzugleichen. Seine sind bestimmt klein. Aber ich hätte gerne die Abdrücke von Ihnen und Ihren Kollegen. Sie können sie nach Chicago in unser Büro schicken.«
»Ich habe noch nie einen Fingerabdruck genommen«, sagte Murphy. »Ich weiß überhaupt nicht, wie man das macht.«
»Die Methode ist schon seit Jahrhunderten bekannt, doch erst in den letzten Jahren wird sie bei der Strafverfolgung genutzt. Die Abdrücke auf einem Gegenstand - in diesem Fall der Patronenhülse - entstehen durch die Hautrillen. Wenn ein Gegenstand angefasst wird, bleiben Schweiß und Fettpartikel darauf zurück, die einen Abdruck entsprechend der Struktur auf der Fingerkuppe hinterlassen. Um die Abdrücke abzunehmen, streut man ein feines Pulver, zum Beispiel Graphit von einem Bleistift, auf die Oberfläche. Dann wird der Abdruck mit einem Stück Klebeband für Untersuchungszwecke abgenommen.«
Murphy nippte an seinem Kaffee. »Ich werde es probieren.«
Bell dankte dem Sheriff und stieg die Treppe hinunter. Drei Stunden später saß er wieder im Zug und fuhr zurück nach Denver.
15
Cromwells Chauffeur fuhr den Rolls-Royce Brougham, Baujahr 1906, mit den sechs Zylindern und dreißig PS, der vom Londoner Fahrzeugbauer Barker hergestellt worden war, aus der Garage zum Haupteingang von Cromwells palastartigem Anwesen auf dem Nob Hill. Cromwell hatte es selbst entworfen, es bestand aus weißem Marmor, der aus einem Steinbruch in Colorado stammte und per Eisenbahn
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