Höllische Versuchung
Einvernehmen hatten James und sie beschlossen, den Kontakt abzubrechen – und trotz der Umstände hatten sie sich im Guten getrennt. Ihr Bauchgefühl sagte ihr, dass es hierbei nicht um Rache ging.
Aber worum dann? War es bloß Zufall, dass sich ihre Wege kreuzten?
Das konnte Maggie beim besten Willen nicht glauben.
Ging es dabei um Ames-Beaumont? Handelte James allein oder hatte ihn jemand angeheuert? Und wenn er dafür bezahlt wurde, hatte James seine Verbindung zu ihr – und Ames-Beaumont – offengelegt?
Doch wozu jagte er Ames-Beaumonts Familie und stellte dann keine Forderungen?
Mit gerunzelter Stirn sah sie zu Blake hinüber. Woher hatte er das Foto von ihr und James? Und wer hatte ihm verraten, dass der Mann auf den beiden Bildern der gleiche war? Ames-Beaumonts Verlobte war es jedenfalls nicht gewesen. Selbst wenn sich Sari in Blakes E-Mails gehackt hätte, hätte sie das Fahrstuhlfoto ja erst nach Blakes Entführung gefunden, also hätten sie sich darüber noch nicht austauschen können.
Ihr entging etwas, sie übersah irgendwo eine Kleinigkeit. Und da der Höllenhund ständig anwesend war, konnte sie Blake auch nicht die Knarre an den Kopf halten, um ihn nach bewährter Verhörmethode zum Sprechen zu bringen. Also musste sie weiterbohren, um ihm die Information zu entlocken.
Dazu musste sie ihre Förmlichkeit ein wenig ablegen. Eigentlich ziemte es nicht für einen Butler, eine Unterhaltung zu beginnen, doch Maggie blieb nichts anderes übrig. »Ich habe Sie mir ganz anders vorgestellt, Mr Blake.«
»Das dachte ich mir.«
»Damit meine ich nicht Ihre Blindheit. Jedenfalls nicht nur«, räumte sie ein. »Ich habe mir Ihre Akte angesehen.«
»Ach ja?« Sowohl sein Gesichtsausdruck als auch seine Stimme waren vollkommen nichtssagend.
»Ja.« Sie musste sich abwenden, um die Tüten mit Essen durch das Fenster in Empfang zu nehmen. Die erste reichte sie an ihn weiter, die anderen stellte sie auf die Ablage zwischen den Sitzen. »Es wimmelt dort nur so vor Verweisen, Beschwerden und Versetzungen. Seit fünfzehn Jahren werden sie in der Firma herumgereicht.«
»Ich mache meinen Job eben nicht besonders gut.«
Sie erkannte eine einstudierte Antwort, wenn sie sie hörte. Das war offensichtlich eine Deckgeschichte. »Nur dass sich nach jeder Ihrer Versetzungen ein Problem einfach so in Luft aufgelöst hat. In London hatte ein Manager Geld unterschlagen. In Paris wurden Untersuchungsergebnisse an die Konkurrenz weiterverkauft. In Florida wurden Lagerhallen von Ramsdell genutzt, um Kokain zu schmuggeln. Und die Medikamentenlieferungen für Ärzte ohne Grenzen kamen nie in Darfur an.« Das waren nur ein paar Beispiele, doch das sollte genügen. Und wenn sie seine Züge richtig deutete, war er überrascht, vielleicht sogar ein wenig erleichtert. »Sie machen einen auf Doofi, wedeln bei jeder Gelegenheit mit Ihrem Behindertenausweis und lassen alle glauben, Sie hätten den Job nur wegen Ihres Onkels bekommen. Und während sich der Missetäter in Sicherheit wiegt – schließlich braucht man einen Blinden nicht hinters Licht zu führen – , stellen Sie ihn. Eine erfolgreiche Strategie. Als ich vom Verschwinden Ihrer Schwester erfuhr und Mr Ames-Beaumont sagte, er hätte Sie geschickt, hielt ich das für einen klugen Schachzug.«
»Aber jetzt denken Sie anders darüber?«
»Jetzt frage ich mich einfach, wie Sie das alles bewerkstelligen.«
»Das wollen Sie nicht wirklich wissen, Winters.«
»›Ich würde es Ihnen ja sagen, aber danach müsste ich Sie leider umbringen‹?« Sie legte ein wenig Amüsement in ihre Stimme, damit er wusste, dass sie lächelte.
»So ungefähr.« Er erwiderte ihr Lächeln nicht. »Zumindest würde mein Onkel es ernsthaft in Betracht ziehen.«
Ein Schauder lief ihr über den Rücken. Was immer er auch verbarg, es unterschied sich noch von Ames-Beaumonts Vampirismus. Für Ames-Beaumont gab es nur zwei Gründe, aus denen er bedenkenlos töten würde: Entweder seine Verlobte oder seine Familie war in Gefahr. Zwar würde er auch die Gemeinschaft der Vampire, dessen Oberhaupt er war, beschützen, doch nur nach reiflicher Überlegung. Wenn es aber um die Liebe oder die Familie ging, fackelte er nicht lange.
Da Savi sicher in San Francisco weilte, konnte Blakes Geheimnis also nur mit der Familie zu tun haben.
Es musste ein unglaubliches Gefühl sein, dieser Familie anzugehören. Der Gedanke, sie sich zum Feind zu machen, war angsteinflößend.
Maggie ließ sich nichts anmerken,
Weitere Kostenlose Bücher