Höllische Versuchung
dem Laken hervor.
Herausfordernd sah er sie an.
Sie konnte einfach nicht genug von ihm bekommen, also stand sie auf und folgte ihm in die Dusche. Doch am Ende behielt sie das letzte Wort … indem sie ihn in diesem winzigen Glaskabuff in den Wahnsinn trieb.
6
Es war bereits sieben Uhr morgens, als sie endlich aufbrachen. Geschlafen hatten sie nicht, dafür waren sie aber aufgeputscht von Glückshormonen, wie Sara sie gerne nannte, und bis an die Zähne bewaffnet. Die Vampire, die Sara beschatteten, führten offenbar etwas im Schilde und da wollten sie ihnen keine allzu leichte Zielscheibe bieten.
Die Straßen lagen in winterlicher Dunkelheit, und Nebel umfing die Häuser in einer beinahe zärtlichen Umarmung. Selbst der Schrottplatz lag im gedämpften Licht wie verträumt da.
»Lass es uns heute mal direkt angehen«, schlug sie vor. »Ich behaupte einfach, Simon hätte mich geschickt, nach ihm zu schauen.«
Deacon nickte und brachte die Maschine vor dem mit einem Vorhängeschloss versehenem Tor zum Halten. »Lucy sollte jeden Moment hier sein.«
Aber die Minuten verstrichen und Deacons geliebter Höllenhund ließ auf sich warten. Sara hatte ein zunehmend ungutes Gefühl. »Warte mal kurz.«
Sie stieg vom Motorrad und machte sich am Schloss zu schaffen. Dann winkte sie Deacon durch. Am liebsten hätte sie das Tor als Fluchtweg offen gelassen, doch sie konnte nicht riskieren, dass Lucy entkam und die Nachbarschaft in Angst und Schrecken versetzte – und vielleicht noch selbst in Angst und Schrecken versetzt wurde, wenn sie nicht mehr nach Hause zurückfand.
Nachdem sie es also wieder geschlossen hatte, saß sie auf und brauste mit Deacon zu Tims Hütte, zumindest so nah heran, wie es die herumstehenden Schrottberge zuließen. Drinnen brannte Licht. »Er ist zu Hause.« Sara nahm den Helm ab und hängte ihn an den Lenker. Deacon tat es ihr gleich.
»Mir gefällt das nicht.« Er sagte es ganz ruhig, sein Blick aufmerksam, während sie sich durch eine Lücke im Schrott bis zu einer vergleichsweise freien Fläche vor Tims Hütte durcharbeiteten. »Irgendetwas ist hier faul.«
Ihre Instinkte gaben ihm recht. »Lass uns einmal herumgehen, um sicherzustellen, dass … « Auf einmal sah sie sie. Vampire. Sie lauerten auf Autowracks, standen zwischen Metalltürmen, lehnten an Tims Hütte.
Sara wusste, dass es diesmal kein Entkommen gab. »Wir müssen versuchen, ins Haus zu kommen.« Das war ihre einzige Chance, sich zu verteidigen. Ihre Armbrust hatte sie bereits gezückt.
»Darauf sind sie vorbereitet.« Er stellte sich so, dass sein Rücken gegen den ihren lag.
»Es sei denn, Tim hat sich darin verbarrikadiert.«
Deacon antwortete nicht, doch sie wusste, was er tat. Lauschen. Sollte Tim tatsächlich am Leben und in seiner Hütte sein, würde er ihnen ein Zeichen geben. Doch es war Lucy, die sie plötzlich kurz bellen hörten. Danach war wieder alles still. Ein Vampir in Saras Nähe fluchte so laut, dass sie es hören konnte. »Der Scheißköter hat mir das halbe Bein abgebissen.«
Die Worte hörten sich vielleicht gewöhnlich an, aber der Vampir, aus dessen Mund sie kamen, war alles andere als gewöhnlich. Jahrhundertelange Erfahrung stand ihm ins Gesicht geschrieben und er bewegte sich wie jemand, der jede Situation zu seinem Vorteil zu nutzen wusste. Doch trug er keine Waffen bei sich. Mangelnde Fairness konnte man den Erzengeln nicht nachsagen. Wenngleich sie für Fairness ihre ganz eigenen Kriterien anlegten: zwei, gegebenenfalls drei Jäger gegen ungefähr fünfzehn Vampire.
»Jemand hat den Einsatz erhöht«, murmelte Sara kaum hörbar.
»Ich erkenne keinen von ihnen wieder, nicht einmal den Alten da. Anscheinend gehören sie nicht zu Raphael.«
Ihr war das Gleiche durch den Kopf gegangen. »Schön zu wissen, dass mir wenigstens nicht mein eigener Erzengel nach dem Leben trachtet.« Sie richtete ihre Armbrust auf den Anführer der Gruppe. »Zeit für ein paar Zielübungen.«
Der Vampir lächelte höflich. »Ich begehre nur ein winziges Schlückchen, Mylady.« In seiner Stimme schwangen Galanterie und Grausamkeit zugleich mit. »Es heißt, Gildedirektoren hätten einen ganz besonders köstlichen Geschmack.«
Da sie sich kaum vorstellen konnte, dass Simon jemanden an sich hatte knabbern lassen, beschloss sie, ihm nur bedingt zu glauben. »Sind Sie denn schon so ausgetrocknet?« Vorsichtig bewegte sie sich auf das Haus zu. Deacon blieb dicht an ihrer Seite.
Die Vampire hielten sich auf Abstand …
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