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Hörig (German Edition)

Hörig (German Edition)

Titel: Hörig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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sich wie aus einem Drehbuch zu einem Katastrophenfilm.
    Wenn dieses Scheusal mit Patrizia genauso verfuhr …
    Edmund zuckte zusammen, als Kleiber von der Computertastatur abließ, sich zu ihm hinüberbeugte und dabei die Hand ausstreckte. Auf der Ecke vom Schreibtisch, an der Edmund Platz genommen hatte, stand ein Telefon. Kleiber griff zum Hörer, das Lächeln war ihm inzwischen wohl auf dem Gesicht angewachsen.
    Er wählte eine Nummer und ließ Edmund dabei nicht aus den Augen. Dann nannte er seinen Namen. Nur den Namen, keinen Dienstgrad, nichts, was auf die Behörde schließen ließ. Er musste seinem Gesprächspartner, vielmehr einer zuständigen Sekretärin oder Telefonistin, so gut bekannt sein, dass er nicht einmal erwähnen musste, wen er zu sprechen wünschte.
    «Kleiber hier.» Das reichte offenbar vollkommen aus, um ihn weiterzuverbinden. Es dauerte nur ein paar Sekunden. Edmund schaute fasziniert zu, wie sich der behäbig zuversichtliche Blick in dieser kurzen Zeit dramatisch veränderte. Aus freundlicher Nachsicht und Hilfsbereitschaft wurde Härte. Dieser Eindruck verstärkte sich noch, als Kleiber seinen Namen erneut nannte und fragte: «Sag mal: Rasputin, wann ist der rausgekommen?»
    Das klang in keiner Weise mehr freundlich. In Edmunds Richtung kam immer noch ein nun unkonzentriertes Lächeln. Kleiber war mit seinen Gedanken nicht mehr bei einem besorgten Ehemann. Er hatte nach einem Stift gegriffen und wippte ihn gedankenverloren zwischen zwei Fingern auf und ab, grunzte ein paar Mal in den Hörer. Und plötzlich der Donnerschlag seiner Faust. Der Stift zerbrach in der Mitte, als der Hieb die Schreibtischplatte traf, ein Teil flog im hohen Bogen auf Edmund zu.
    Kleibers Stimme klang nach Unheil. «Das habt ihr ja fein hinbekommen.» Pause. «Nein, bin ich nicht.» Pause. «Das werde ich, darauf kannst du dich verlassen.»
    Im ersten Augenblick fühlte Edmund sich erleichtert. Doch das hielt nicht lange vor. Als Kleiber den Hörer auflegte, verwandelte er sich zurück in den gutmütigen, geduldigen und erfahrenen Polizisten, war die Ruhe in Person. Sogar das beschwichtigende Lächeln war wieder da.
    Aber jetzt war auch Edmund da, zumindest vorübergehend. Der geschulte Blick für die Mimik eines Gesprächspartners, für die winzigen, unbewussten und verräterischen Gesten. Kleibers Lächeln war so falsch wie ein Zweieuroschein. Der Mann kochte vor Wut. Etwas war ganz und gar nicht so gelaufen, wie er sich das vorgestellt hatte.
    Edmund war ziemlich sicher, dass Kleiber fest damit gerechnet hatte, über Schramms genauen Entlassungstermin informiert zu werden. Möglicherweise war auch eine Mitteilung an untergeordnete Ränge ergangen. Und die hatten es versäumt, Kleiber ins Bild zu setzen. Aber wenn die Sache in seinem Umfeld verschludert worden war, würde er nachhaken, darauf hätte Edmund geschworen. Und er hätte nicht in der Haut des Betreffenden stecken mögen.
    Die Frage war nun, warum Kleiber sich für Schramms Entlassung interessierte. Automatisch begann ein Teil von Edmunds Hirn nach Gründen zu suchen und hakte an Informationen ab, was ihm zur Verfügung stand.

    Für die Polizei war es ein klarer Fall gewesen, keine langwierigen Ermittlungen. Ein paar Fragen, eine Festnahme, ein geständiger Täter. Schramm hatte die volle Strafe abgesessen, ihm war keine Bewährung eingeräumt, kein Tag geschenkt worden. Und wer gebüßt hatte, war anschließend frei, sollte man zumindest annehmen. Wenn die Polizei sich für einen entlassenen Strafgefangenen interessierte, tat sie das nicht zum Zeitvertreib.
    «Also», begann Kleiber und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Rein äußerlich wirkte er immer noch gelassen, aber jetzt saß ihm ein geschulter und aufmerksamer Psychologe gegenüber. Kleiber hatte es nur noch nicht bemerkt, er kratzte sich am Ohr.
    «Wie ich gerade höre, ist Schramm schon seit vierzehn Tagen draußen. Es könnte also durchaus sein, dass er sich bei Ihrer Frau gemeldet hat.»
    «Nicht durchaus», erklärte Edmund. «Er war da, daran gibt es nicht den geringsten Zweifel. Soll ich Ihnen seine Zigarettenkippen, die Tasse und das Glas vorbeibringen, aus dem er getrunken hat?»
    Getränke zu erwähnen war ein Fehler gewesen, was Edmund sofort von Kleibers Miene ablesen konnte.
    «Gab es noch Verbindungen?», wollte Kleiber wissen. «Irgendwoher muss er ja Ihre Adresse erfahren haben. Hat Ihre Frau ihm mal geschrieben?»
    Edmund schüttelte nachdrücklich den Kopf und erklärte

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