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Hoffnung ist mehr als ein Wort (Bianca) (German Edition)

Hoffnung ist mehr als ein Wort (Bianca) (German Edition)

Titel: Hoffnung ist mehr als ein Wort (Bianca) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura marie Altom
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automatisch nach. Weil er eigentlich weder Wert auf ihre Antwort noch auf ihre Gesellschaft legte, wandte er sich ab und ging über den Friedhof davon – vorbei an Grabsteinen, die seit Hunderten von Jahren vom Kummer anderer Familien kündeten.
    Beharrlich folgte Kit ihm auf den Fersen. „Das soll heißen, dass mir jener Sommer wie gestern vorkommt und du schon damals die Gabe hattest, dich abzuschotten. Weißt du noch, als Marlene aus Vinces Baumhaus gefallen ist? Während der Fahrt zum Arzt hat sie Zeter und Mordio geschrien. Alle waren außer sich vor Sorge, bloß du nicht. Du hast ihre Hand gehalten und ihr gut zugeredet. Du hattest sogar noch ihre Krankenversicherungskarte eingesteckt. Weißt du überhaupt, wie bizarr das alles für uns war?“
    Sie holte tief Luft, packte ihn am Arm und brachte ihn zum Stehen – direkt neben der weißen Marmorstatue von Felix Goodwilly, dem allerersten Bürgermeister der Stadt. Der Halbschatten linderte etwas die sengende Mittagssonne.
    „Es geht nicht nur darum, dass du die Notsituation gemeistert hast, sondern dass tatsächlich alles wieder gut wurde. Marlene hatte nur einen verstauchten Knöchel und eine leichte Gehirnerschütterung. Als hättest du die Willenskraft, um das Schicksal zu deinen Gunsten zu wenden!“
    „Wenn dem so ist“, entgegnete Travis und wiegte Libby im Arm, „dann habe ich jetzt kläglich versagt.“
    „Oh mein Gott! Hör dir bloß mal selbst zu! Als ob du irgendwas hättest tun können, um dieses schreckliche Unglück zu verhindern!“
    „Aber ich will es“, murmelte er mit rauer Stimme.
    „Was?“
    „Es wieder in Ordnung bringen. Ich will Marlie zurück.“ Er drückte Libby an sich und dachte daran, wie oft er für Marlene den Ersatzvater gespielt hatte, weil ihre Eltern zu beschäftigt oder ihre Großeltern zu müde gewesen waren.
    Wie in einer Diashow, die in seinem Kopf ablief, sah er seine Schwester in verschiedenen Entwicklungsstadien vor sich.
    Mit vier Jahren, wie sie sich in einer dunklen Ecke der Kirche versteckte, weil irgendein Kind behauptet hatte, dass Ungeheuer den Altar bewachen und sie zum Sonntagsessen verspeisen wollen. In der dritten Klasse hatte sie sich versehentlich die Finger mit Sekundenkleber zusammengeklebt und befürchtete, dass sie immer so bleiben würden. In der Mittelstufe hatte sie ihren ersten Mathematiktest verhauen und war überzeugt, dass sie nie auf ein gutes College gehen konnte.
    In allen diesen Situationen hatte er Marlene in die Arme genommen, sie getröstet und ihre Ängste vertrieben. Und dafür hatte sie sich bei zahlreichen Gelegenheiten revanchiert. Zum Beispiel, als er eine kostbare Skulptur seiner Großmutter mit einem Fußball kaputtgemacht hatte oder wenn er von einer Freundin den Laufpass bekam.
    All diese Erinnerungen gingen ihm gewaltig an die Nieren. Wer sollte ihn nun trösten und aufbauen, da Marlene fort war? Für wen lohnt es sich noch zu kämpfen? Travis unterdrückte ein Schluchzen, weil er niemals, unter keinen Umständen weinte. Doch mit dem Verlust seiner Schwester schien er auch den Willen verloren zu haben, stets Haltung zu wahren. Ihm kamen die Tränen und sie ließen sich nicht mehr aufhalten.
    Kit streckte eine Hand nach ihm aus. Weil er diesen schmerzlichen Moment nicht mit ihr teilen wollte, drehte er ihr den Rücken zu. Doch sie blieb beharrlich, stellte sich hinter ihn, schlang die Arme um ihn und um das Kind seiner Schwester.
    Mit einer unglaublich sanftmütigen Stimme flüsterte sie ihm zu: „Es wird alles gut, weißt du.“
    Er schüttelte den Kopf. „Nein. Beulah wird das Sorgerecht für Libby bekommen. Und wer bin ich, dies verhindern zu können? Ich habe keine Ahnung von Kindererziehung und Familie.“
    „Hör auf damit.“ Sie drehte ihn zu sich um. „Das ist reiner Blödsinn. Für Marlene warst du die ganze Familie, die sie brauchte, in einer einzigen Person.“
    „Warum ist sie dann von Chicago weggegangen?“
    „Aus Selbstschutz. Und deswegen wollte sie, dass du auch weggehst. Weil sie eingesehen hat, wie zwecklos der Versuch ist, ein Milliardenimperium im Alleingang zu stemmen. Auch wenn du noch so viele Aufgaben delegierst, trägst du am Ende des Tages doch eine ungeheure Last auf deinen Schultern. Das wollte sie nicht für sich selbst und besonders nicht für den Bruder, den sie so lieb hatte.“
    Sie hob eine Hand und strich mit den Fingerspitzen über die Falte zwischen seinen Augenbrauen. Er zuckte zusammen. Dann kamen die Tränen zurück, und

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