Hoffnung ist mehr als ein Wort (Bianca) (German Edition)
gebrochen.
Ach nein? höhnte ihr Gewissen.
In körperlicher Hinsicht mochte sie treu geblieben sein. Aber im Herzen? Das stand auf einem ganz anderen Blatt.
9. KAPITEL
„Nervös?“
Travis, der auf einer Bank in der Eingangshalle des Gerichtsgebäudes saß und auf den Marmorboden starrte, blickte auf und sah Levi auf sich zukommen. „Ein bisschen.“ Er rückte den Knoten seiner Krawatte gerade. „Weil ich im Laufe meines Geschäftslebens gelernt habe, dass man die Ernte nicht verteilen soll, bevor man sie eingefahren hat. Vor allem nicht bei einem Gegner wie Beulah.“
„Kit hat mir von dem Flyer erzählt.“ Schmunzelnd hob Levi eine Hand zum Kopf und signalisierte Verrücktheit. „Aber mal im Ernst. Ich kenne Beulah schon mein Leben lang, und sie ist eigentlich ganz in Ordnung. Es dauert nur eine Weile, bis sie einem ans Herz wächst.“
„Dazu wird es bei mir nicht kommen“, murmelte Travis.
Kit hetzte in einem schlicht geschnittenen schwarzen Kostüm herein. Er hatte sie noch nie so gekleidet gesehen – sie wirkte wie eine Frau von Welt. Sie sah sehr hübsch aus, allerdings auf eine kühle und beinahe harte Weise. Mit dem streng zurückgekämmten Haar wirkte sie nicht wie sie selbst.
Er sehnte sich sofort die alte Kit zurück. Den verspielten Teenager, der ihn in ausgefransten Jeansshorts und verlotterten T-Shirts bezaubert hatte. Die anmutige Frau in engen Tops und wallenden Röcken. Die Flipflops bevorzugte und das lange lockige Haar offen trug – eine Einladung für die forschenden Patschhändchen neugieriger Kinder.
Travis schluckte schwer. Zu seinem Leidwesen juckte es auch ihn in den Fingerspitzen, Kit von Kopf bis Fuß zu erforschen, sie in- und auswendig kennenzulernen.
„Ein Glück, dass ich nicht zu spät komme“, stieß sie ein wenig atemlos aus. Ihr Gesicht glühte. „Steph hat eine Halsentzündung. Deswegen musste ich in letzter Minute einen Ersatz suchen.“
„Hoffentlich ist es nichts Ernstes“, murmelte Travis.
„Nach ein paar Lutschtabletten geht’s ihr sicher wieder besser. Keine Sorge, sie hat Libby nicht angesteckt. Unsere Patentochter hat mit Clara um die Wette gekräht und gewonnen. Um dich mache ich mir da schon mehr Sorgen. Wie fühlst du dich?“
Sie legte ihm eine Hand auf den Rücken in einer Geste, die tröstend wirken sollte und doch Unbehagen auslöste. Es gefiel ihm nicht, sie mit Levi zusammen als Paar zu sehen, denn es machte ihm bewusst, wie allein er selbst war. Außer Libby hatte er wirklich niemanden.
Bei seinem ersten Aufenthalt in IdaBelle Falls hatte er sich wie ein Teil einer großen Familie gefühlt. Diesmal, durch den Streit mit Beulah, war er ein Außenseiter, der Feind. Was, wenn der Richter gegen ihn entschied? Wie sollte er dann damit leben, dass er wertvolle Zeit mit Marlene vergeudet hatte, weil sie einen anderen Weg als er gegangen war? Wer konnte beurteilen, wer im Recht war? Oder ob es überhaupt um Recht und Unrecht ging oder nur um unterschiedliche Möglichkeiten. Er hätte Marlene gern gesagt, wie leid es ihm tat, ihre Lebensauffassung nicht befürwortet zu haben.
„Hallo?“ Kit stieß ihn mit einem Ellenbogen an. „Ist jemand zu Hause?“
Er zuckte zusammen. „Entschuldige. Ich war in Gedanken.“
„Daran, wie schön es sein wird, mit Libby nach Chicago zurückzugehen?“, fragte Levi.
Das sollte dich eigentlich beschäftigen, Levi, dachte Travis. Er mied Kits Blick und erwiderte. „Ja, es wird schön, nach Hause zu kommen.“
Beulah stolzierte mit Frank und einem Gefolge Ladys mit blaustichigem weißen Haar in das Gebäude.
Travis begleitete seinen Anwalt in den gut besuchten Gerichtssaal und nahm am Tisch der Verteidigung Platz. Für den Bruchteil einer Sekunde schloss er die Augen. Was, wenn das Gericht entschied, dass es zu Libbys Besten war, in IdaBelle Falls aufzuwachsen?
Dann werde ich bleiben und so lange kämpfen, bis mir die Kraft und das Geld ausgehen. Denn eines hatte er in diesem Kuhdorf gelernt: dass er Libby ein Vater sein wollte, und zwar in der vollen Bedeutung des Wortes.
Kit beugte sich über das Geländer, das den Zuschauerraum abtrennte, und flüsterte ihm ins Ohr: „Ich hab ganz vergessen, dir Glück zu wünschen.“
Ihre sanfte kehlige Stimme sandte einen in diesem Moment vollkommen unangebrachten Schauer durch ihn.
„Danke.“ Er fragte sich, ob sie womöglich ein klein wenig hoffte, dass er verlor, damit er bleiben musste. Oder war das sein eigener Wunsch? Wollte er austesten, ob
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