Hogan, S: Steampunk-Saga: Episode 6
Hand. Beide Männer hatten ihre Gehröcke abgelegt und schufteten in Hemdsärmeln. Kate schob nun auch tatendurstig die Ärmel ihres Kleides hoch. Sie war froh, endlich etwas tun zu können.
„Wie kann ich helfen, Onkel Phineas?“
„Wo ist denn unser Gastgeber?“, stichelte Benson. „Will sich der feine Herr die Hände nicht schmutzig machen?“
Aus den Worten des Kriminalassistenten sprach die pure Eifersucht. Kate mochte ihn eigentlich, aber ihr Liebesleben ging ihn gar nichts an. Außerdem war sie wegen ihrer widersprüchlichen Gefühle für Leclerc sauer auf sich selbst. So fiel ihre Antwort schärfer aus, als sie es eigentlich vorgehabt hatte.
„Ich bin ganz froh darüber, dass Roger sich hier im Stall nicht sehen lässt, David. Sonst könnte er nämlich die Frage stellen, warum wir diese Umbauten vornehmen. Diese Apparaturen benötigt man gewiss nicht, um Rundflüge über Paris zu machen. Wir sollten den Bogen nicht überspannen. Roger ist kein Dummkopf, und wir machen uns besser nicht zu verdächtig. Immerhin will er uns zur Paris-Maschine führen, und das ist doch sehr viel wert, oder? Im Übrigen kann er uns bei der Arbeit nicht helfen, weil er fortgegangen ist.“
Kates Temperamentsausbruch ließ Benson sofort verstummen. Wie ein begossener Pudel beugte er sich über einige Schwungräder, die er auf Achsen ziehen sollte.
Nun tat es Kate schon wieder leid, dass sie ihn so angefahren hatte. Aber sie war momentan eben sehr unruhig. So eine Aufgabe wie die bevorstehende Gefangenenbefreiung hatte sie noch niemals lösen müssen. Wenn sie versagte, dann würde nicht nur Jeremy Summers hingerichtet werden. Auch ihr eigenes Überleben sowie das von Benson und Fletcher waren keineswegs gesichert.
Um sich von den düsteren Gedanken abzulenken, stürzte sie sich in die von Fletcher zugewiesene Arbeit.
Eine Stunde später erschien der Bote vom Bistro auf der Bildfläche. Leclerc hatte ihn offenbar direkt zum Schuppen geschickt. Der Mann hatte warme Pasteten sowie Weißbrot und Rotwein dabei. Kate und ihre Gefährten machten sich über das Essen her, danach arbeiteten sie zügig weiter. So kam es, dass sie mit den Umbauten bereits fertig waren, als ihr Gastgeber am späten Nachmittag zurückkehrte.
Falls Leclerc wissen wollte, was die drei Engländer in seinem Stall zu arbeiten hatten, ließ er es sich nicht anmerken. Er stellte keine Fragen, sondern warf Kate nur einen leidenschaftlichen Blick zu. Obwohl sich seine Worte auf alle drei Gäste bezogen, schaute er nur die junge Frau an.
„Sie alle hatten ja ein gewisses Interesse an der sogenannten Paris-Maschine bekundet, wenn ich mich nicht irre. Falls Sie es wünschen, können wir gemeinsam zu dem Ort fahren, wo sie versteckt wird. Allerdings würde ich vorschlagen, dass wir dafür eine Pferdedroschke benutzen. Ein Drehflügler, der über stillen Vorstadtstraßen kreist, ist doch sehr auffällig. Das gilt doppelt und dreifach, wenn er auch noch von einer bezaubernden rothaarigen Lady gelenkt wird.“
Bevor Kate etwas erwidern konnte, antwortete Fletcher. „Wir wissen es zu würdigen, dass Sie unsere ungewöhnlichen Wünsche so zuvorkommend erfüllen, Mr Leclerc. Es wird uns ein großes Vergnügen sein, Sie zu begleiten.“
Nachdem sich Kate und ihre Begleiter in den großzügig ausgebauten Badezimmern des Stadtpalais von den Spuren der Arbeit gesäubert hatten, begaben sich die drei Engländer und ihr Gastgeber an Bord einer bequemen Mietkutsche. Leclerc nannte dem Kutscher eine Adresse, die Kate aber nicht verstehen konnte.
Die Pferdedroschke ratterte durch Straßen, die teilweise nur notdürftig gepflastert waren. Hier in den Außenbezirken wirkte Paris noch richtig mittelalterlich. Die Gassen waren teilweise so eng, dass die Häuserwände links und rechts nur wenige Handbreit von der Kutschenkarosserie entfernt waren. Doch mehrmals erblickte Kate aus größerer Entfernung mächtige Dampfkräne. Diese qualmenden Ungetüme wurden eingesetzt, um alte Häuser abzureißen. Dadurch entstanden breite Schneisen, die mit Bauschutt und Trümmern gefüllt waren.
Leclerc bemerkte Kates fragenden Blick.
„Paris soll ein neues Gesicht bekommen. Unser neuer Präfekt George-Eugene Haussmann will die Hauptstadt zu einer modernen Metropole mit breiten Boulevards machen. Es wird auch viel mehr Landeplätze für Drehflügler und einen zweiten Luftschiffhafen nahe vom Stadtzentrum geben. Eines Tages wird Paris vielleicht sogar so groß wie London sein.“
Der
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