Hollys Weihnachtszauber
»Ich habe Holly gerade gefragt, ob du weißt, dass sie schwanger ist?«
»Wie bitte?«, fragte Michael.
»Natürlich weiß er das nicht, du Schwachkopf – denn es gibt gar keine Schwangerschaft«, fauchte ich.
»Du bist nicht schwanger?« Jude sah mich forschend an. »Aber – wieso dann dieses Buch?«
»Es geht dich zwar überhaupt nichts an, aber ich will diesen Frühling versuchen, ein Baby zu bekommen, mittels KB.«
»KB?«
»Künstliche Befruchtung.«
»Geht das denn nicht auch anders?«, fragte er ungläubig. »Was ist denn mit den Männern, dort wo du wohnst?«
»Natürlich ginge es auch anders, aber ich will es so!«
»Könnte Michael nicht behilflich sein? Immerhin scheint ihr zwei euch ja blendend zu verstehen – deshalb habe ich ja auch gefragt, ob du es ihm erzählt hast, als ich dachte, dass du schwanger bist.«
»Hör mal, Jude«, sagte Michael geduldig. »Holly und ich sind gute Freunde geworden, aber das ist auch alles – und mehr wird es niemals sein. Ich kann dir auch sagen, warum: Ich bin nämlich schwul. Holly weiß das bereits.«
»Du bist schwul?«
»Ja, allerdings habe ich mich noch nicht öffentlich geoutet«, stellte er klar, »nur guten Freunden gegenüber.«
»Aber – du warst verheiratet. Du hast eine kleine Tochter!«
»Die Ehe war ein Fehler.«
»Aha … Aber warum dann die Geheimnistuerei?«
»Ich habe es Holly eben schon erklärt: Ich käme mir komisch vor, romantische männliche Hauptrollen zu spielen, wenn jeder es weiß. Ich werde mich öffentlich outen, wenn diese Zeit vorbei ist.«
»Du bist schwul «, wiederholte Jude … und dann verwandelte wieder einmal dieses plötzliche Lächeln sein Gesicht. »Das ist ja großartig .«
»Danke für deinen positiven Zuspruch«, bemerkte Michael trocken.
Judes Lächeln wurde zu einem verschmitzten Grinsen. »Arme Coco! Alles vergebliche Liebesmüh.«
»Armer Michael, meinst du wohl!«, sagte ich entrüstet. »Guy und du habt ihn ja geradezu der Wölfin vorgeworfen.«
»Tut mir leid«, entschuldigte Jude sich, klang aber nicht sehr bedauernd.
»Ist schon in Ordnung«, sagte Michael. »Also, dann lass ich euch beide mal und geh wieder zum Wagen – ich habe den Motor laufen lassen. Wahrscheinlich komme ich morgen los«, fügte er unbehaglich hinzu.
»Ach, du kannst bleiben, solange du möchtest«, erklärte Jude großzügig und nun wieder bestens gelaunt.
»Ich würde gern mit dir zum Haus zurückfahren«, sagte ich rasch. »Ich bin eben auf dem Eis ausgerutscht, und es tut ziemlich weh. Bis morgen habe ich wahrscheinlich üble blaue Flecken am Hinterteil.«
»Okay«, sagte er, und Jude zog zum Atelier ab, während ich den Safran holte und dann sorgsam die Tür abschloss.
»Puh, jetzt, wo Jude mein kleines Geheimnis kennt, fühle ich mich sehr viel sicherer«, gestand Michael, wendete den Wagen und lenkte ihn nach Hause. »Ich hatte schon Angst, er würde mir früher oder später das Gesicht verunstalten!« Er warf mir einen prüfenden Blick zu. »Willst du es wirklich mit künstlicher Befruchtung versuchen, Holly?«
»Ja, bevor ich hierherkam, habe ich mich für einen Alleingang entschieden«, erklärte ich. »Denn ich weiß, dass ich nie wieder einen Mann wie Alan finde.«
»Wahrscheinlich nicht, aber wenn du die Augen offen hältst, findest du vielleicht einen völlig anderen … wie Jude zum Beispiel«, schlug er vor.
»Anders ist der allerdings, und er bringt meine schlechtesten Seiten zum Vorschein.«
»Ihr fühlt euch zueinander hingezogen, das ist doch schon mal ein Anfang.«
»Das ist rein körperlich … und überhaupt, selbst wenn es mehr wäre, sind wir meiner Meinung nach für alles andere viel zu eng verwandt.«
»Aha … tja nun.« Wieder lächelte er mir von der Seite her liebenswürdig zu. »Wenn das so ist, kannst du immer auf mich zurückgreifen, falls du einen freiwilligen Spender wünschst, den du tatsächlich kennst – und mit Blick auf meine Tochter kann ich dir sagen, ich mache sehr hübsche Babys! Erzähl aber bloß um Himmels willen Jude nichts von diesem Angebot!«
»Das ist wirklich lieb von dir«, sagte ich gerührt. »Ich werde es im Hinterkopf behalten.«
Kapitel 38
Fotofinish
Das Baby ist angekommen, zum Glück eher spät und ziemlich klein, aber gesund. Es ist ein Mädchen, und wir haben sie Anne genannt. Sie ist uns beiden sehr kostbar, und Joseph liebt sie, als wäre sie sein eigenes Kind. Er sagt, sie sei eine Gabe Gottes.
Januar 1946
Bald nach der
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