Hollys Weihnachtszauber
Geburt des Babys – meiner Mutter – ebbt Omas Tagebuch allmählich ab, ich nehme an, sie hatte zu viel anderes zu tun und keine Zeit mehr dafür. Ich weiß, dass sie eine sehr engagierte Pfarrersfrau war.
Ich war noch immer recht steif und hatte Schmerzen von meinem Sturz, wahrscheinlich war mein Hintern voll blauer Flecken – und vielleicht auch grün von der Salbe, die Becca mir gegeben hatte, um sie nach einem ausgiebigen heißen Bad aufzutragen. Sie sagte, sie schwöre darauf, also probierte ich sie aus, auch wenn der Balsam höchst eigenartig roch und ich den Verdacht hatte, dass er eigentlich für Pferde bestimmt war. Tatsächlich ließ der Schmerz daraufhin deutlich nach. Ich sollte das Zeug nach einem harten Arbeitstag in der Küche mal an meinen geschwollenen Knöcheln ausprobieren!
Ich war auf dem Weg ins Erdgeschoss nicht ganz so schnell wie sonst und merkte, dass Jude mir zuvorgekommen war, denn als ich mich anzog, hörte ich ihn unten im Hof. Als ich nachsah, hatte er auch schon die Feuerstelle im Wohnzimmer sauber gemacht … und dort war nur noch eine einzige kleine unwiderstehliche Ecke des Puzzles zu vollenden. Ehe ich es mich versah, lagen die Teile am rechten Platz, und die viktorianische Weihnachtsszene war vollständig.
Für die Revel-Cakes hatte ich über Nacht Safran in Wasser eingeweicht, und die Flüssigkeit war von einem wundervollen Goldgelb. Nachdem ich mir eine Tasse Kaffee gemacht hatte, holte ich die größte Rührschüssel heraus, ein riesiges Ding mit blau glasierter Innenseite, und machte den Teig. Ihn zehn Minuten lang energisch zu kneten, löste so einiges an aufgestauten Emotionen und hatte wahrscheinlich erhebliche therapeutische Wirkung. Als ich gerade den Teig schlug, kam Jude herein und sah mich verwundert an.
»Revel-Cakes« , erklärte ich, »im Grunde eine Art fruchtige Gewürzbrötchen, von daher muss der Hefeteig vor dem Backen mindestens zwei oder drei Stunden gehen.«
Ich ließ die gelbe Teigmasse in die Schüssel plumpsen, deckte sie mit Frischhaltefolie ab und stellte sie zum Gehen neben den AGA-Herd.
»Tut mir leid, dass ich gestern falsche Schlussfolgerungen gezogen habe«, entschuldigte er sich, setzte Wasser auf und machte ungefragt noch mehr Kaffee, einer seiner frühmorgendlichen Vorzüge, während ich meine nächste Aufgabe in Angriff nahm: ein winterlich herzhaftes Wildragout für das Dinner heute Abend, zu dem wir Ofenkartoffeln aus Henrys Vorrat, gefolgt von gebackener Eiercreme, essen würden. Die war anscheinend Noels Lieblingsnachtisch, genau wie der meiner Oma.
»Du hast allerhand abwegige voreilige Schlüsse über mich gezogen – aber das war ja von Anfang an so!«
»Du hast recht«, gab er zu. »Ich habe dich die ganze Zeit über falsch eingeschätzt. Aber diesmal ist die Wahrheit sogar noch abwegiger! Holly, ich fasse es nicht, dass du ernstlich im Alleingang ein Baby durch künstliche Befruchtung bekommen willst! Du hast bestimmt nicht daran gedacht …«
»Ich habe an alles gedacht«, warf ich ein. »Ich habe alles geplant – und außerdem geht dich das überhaupt nichts an, oder?«
Er seufzte und fuhr sich mit den Fingern durch sein dunkles Haar, das sich zu locken begann und geschnitten werden müsste. »Dem Gefühl nach schon – aber wir können auch später darüber sprechen.«
»Nein, können wir nicht: Ich habe den ganzen Tag über zu tun, und dann muss ich packen.«
»Aber Holly, du hast nicht wirklich vor, morgen früh davonzurauschen, sowie die Straßen frei sind? Bleib zu den Revels! Wäre doch blöd, sie jetzt zu verpassen! Außerdem wäre die Familie wirklich enttäuscht, wenn du nicht dabei bist. Du könntest sicher noch eine Nacht länger bleiben, oder?«
Ich sah ihn an und wurde in der Tat etwas weich, weil ich die Festspiele brennend gern gesehen hätte, nachdem ich schon so viel davon gehört hatte … vor allem Jude als Sankt Georg!
»Könnte ich schon … aber ich müsste nicht ein weiteres Mal übernachten, ich könnte meinen Wagen beladen und gleich nach der Aufführung losfahren, wie Michael.«
»Aber der fährt morgen Abend nur bis zum Haus seiner Freunde in der Nähe von Leeds, und du hast einen sehr viel längeren Weg. Außerdem, wenn du gleich anschließend fährst, verpasst du das ganze Vergnügen.«
»Welches Vergnügen?«, fragte ich misstrauisch, denn ich erinnerte mich an Sharons Andeutungen in Richtung Jungfrauenopfer.
»Na, als Erstes mal den Wassail.«
»Wassail?«
»Eine Art
Weitere Kostenlose Bücher