Hollys Weihnachtszauber
unbestimmt. »Aber du gehörst jetzt zur Familie, also solltest du dabei sein.«
»Da fällt mir etwas ein«, sagte ich und nahm das Foto zur Hand, das ich in einem zusammengefalteten Stück Karton neben meinen Teller gelegt hatte. »Ich habe in Omas letztem Tagebuch ein weiteres Foto gefunden – noch einmal Ned, mit deinen Eltern.«
Ich reichte Noel das Foto, und er nickte. »Oh ja – ich erinnere mich, wann dieses Bild von Ned aufgenommen wurde. Es war kurz, nachdem er zu uns gezogen ist.«
»Was meinst du mit ›zu uns gezogen‹?«, fragte Jude verwundert. »Wo hätte er denn sonst wohnen sollen?«
»Er meint, nachdem Ned Waise wurde«, erklärte Becca hilfsbereit.
»Nein, ich verstehe gar nichts«, rief Jude aus. »Was in aller Welt redet ihr denn da?«
»Ich dachte, das wüsstest du – unsere Eltern haben Ned adoptiert, er war unser Cousin zweiten Grades. Er muss damals zwei oder drei Jahre jünger gewesen sein als Jess heute«, sagte Noel.
»Dann ist ja … Holly nur die Enkelin eines entfernten Verwandten der Martlands?«, fragte Jude erstaunt.
»Nun, Ned war sehr wohl ein Martland, das konnte jeder sehen, wenngleich über die weibliche Linie, und wir haben ihn immer als unseren Bruder betrachtet. Aber du hast recht – und das erklärt vermutlich auch, warum Holly mehr Ähnlichkeit mit ihm hat als sonst jemand von der Familie.«
»Ganz offenbar«, meinte Jude. »Sieh mal einer an!«
Jess fragte verwirrt: »Ist Holly denn dann immer noch mein Tantchen?«
»Dem Namen nach schon, aber die Verwandtschaft ist so stark verdünnt, dass aus Blut schon beinahe Wasser wird«, antwortete Jude freudestrahlend.
»Aber trotzdem ist sie ein Mitglied dieser Familie und wird es immer sein«, erklärte Noel, und während ich den Bedeutungsumfang dieser Enthüllungen allmählich verdaute, ließ er sich anschließend weiter über die Revels aus und wie meine Ankunft das Ende eines Abschnittes und zugleich den Anfang eines neuen markierte, ganz wie auch die Festspiele das Ende des alten Jahres und den Beginn des neuen symbolisierten.
»Und dann, nächstes Weihnachten, kommen wir alle wieder zusammen, und der Kreis schließt sich von Neuem«, meinte er.
»Aber ohne Coco, will ich hoffen«, warf Tilda bissig ein.
»Meine Liebe, am Ende war sie doch gar nicht so schlimm.«
»Puh!«, entgegnete Tilda unverblümt.
»Und ohne mich«, sagte Michael, der interessiert zugehört hatte. »Ich werde ebenfalls nicht hier sein.«
»Ach, du bist auch jederzeit willkommen«, erklärte ihm Jude, »ich finde, du gehörst schon fast zur Familie!« Und Michael grinste ihn breit an.
»Onkel Jude, wenn du und Holly gar nicht wirklich Cousin und Cousine seid, heißt das dann …«, setzte Jess an, doch ich lenkte sie hastig ab, indem ich an ihre Lust auf Süßes appellierte.
»Jess, geh bitte mal diese Schachtel mit Chocolate-Wishes von den Chirks holen. Die habe ich ganz vergessen. Das sind diese netten Schokoladen-Glückskekse.«
»Au ja!«, quietschte sie und rannte aus dem Zimmer.
Der Spruch in meinem lautete: Folge deinem Herzen, du bist am Ort deiner Bestimmung bereits angekommen.
Wenn die Schokoladenhülle nicht unversehrt gewesen wäre, hätte ich Jess verdächtigt, den Zettel selbst geschrieben und hineingesteckt zu haben.
»Wir sind also keine Kissing Cousins mehr – oder vielleicht gerade doch?«, fragte Jude, als er mir später in die Küche hinterherkam, wo ich gerade einen Stapel schmutziges Geschirr in die Spülmaschine räumte.
Ich drehte mich um, da stand er unbehaglich dicht vor mir und sah sehr ernst zu mir herab.
»Jedenfalls sind das gute Nachrichten, denn seit diesem Kuss gehst du mir nicht mehr aus dem Kopf und machst mich ganz verrückt!«
»Du machst mich auch ganz verrückt, Jude Martland, aber nicht im positiven Sinn!«, fauchte ich, abwehrend wie üblich. Diesmal, weil ich mir nicht noch einmal das Herz brechen lassen wollte – und genau dazu wäre Jude imstande, wenn ich es zuließe.
Dieses plötzliche Lächeln erschien auf seinem Gesicht. »Könnten wir diesen Kuss nicht wiederholen? Vielleicht änderst du dann deine Meinung!«
»Nein! Omas Geschichte zu entdecken, war eine Achterbahn der Gefühle für mich – und jetzt am Ende auch das noch! Ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich von irgendwas halten soll: Ich bin völlig durcheinander.«
»Arme Holly«, sagte er teilnahmsvoll – und genau in diesem Moment platzte Jess herein, um zu fragen, ob einer von uns den letzten
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