Hollys Weihnachtszauber
lange keiner gefunden.«
»Das lag daran, dass auf dem Speicher nicht galt«, erinnerte sie Noel. »Aber ja, ich habe alle übrigen Schlüssel, auch den für das Mühlenatelier, nur für alle Fälle.«
»Ach, gut. Ich glaube zwar nicht, dass ich sie brauche, ich wollte es nur wissen. Wahrscheinlich werde ich abgesehen vom Küchentrakt nur diesen Raum wirklich benutzen – obwohl er so groß ist, hat er eine angenehm warme und gemütliche Atmosphäre.«
»Ja, hier war immer das Herz des Hauses.« Noel seufzte, und sein Blick ruhte auf einem schwarz-weißen Familienfoto, das auf einem der Beistelltische stand. »Wir waren fünf Kinder, weißt du, und jetzt sind nur noch Becca und ich übrig. Jakob war der Älteste, er ist bei Dünkirchen gefallen, der arme Bursche, und ein weiterer Bruder, Edward, wurde später schwer verwundet. Alex – Judes Vater – hat das Haus geerbt, obwohl er erst spät geheiratet hat. Doch nun sind alle dahin, alle dahin …« Traurig schüttelte er den Kopf. »Alex ist im vergangenen Januar nach langer Krankheit gestorben.«
»Mir ist aufgefallen, dass es im Haus einige Einrichtungen für Schwerbehinderte gibt, wie etwa den Treppenlift … und entschuldige bitte, sagtest du, einer deiner Brüder hieß Edward?«, fragte ich.
»Ja, wir haben ihn aber immer Ned genannt.«
Es verblüffte mich herauszufinden, dass es in der Tat einen Ned Martland gegeben hatte, einen Altersgenossen meiner Oma – aber sicherlich war das nur einer dieser merkwürdigen Zufälle, die einem das Leben so vor die Füße wirft? Ich konnte mir nicht vorstellen, wie ihre Wege sich je gekreuzt haben sollten …
»Er war ein rechter Feger, immer zu Späßen und Streichen aufgelegt – Judes jüngerer Bruder Guy erinnert mich an ihn.« Noel schüttelte den Kopf mit bedauerndem Lächeln. »Er hat nichts wirklich Schlimmes angestellt, aber er war das schwarze Schaf der Familie, Guy hingegen macht sich in letzter Zeit sehr gut – er ist im internationalen Bankgeschäft in London, weißt du.«
»Er macht es mit Onkel Judes Exverlobter«, betonte Jess. »Und ich finde Onkel Guy überhaupt nicht besonders nett.«
»Es ist nicht nett von ihm, dich in einem fort zu triezen«, sagte Noel, »aber das meint er nicht böse.«
Da Jess in einem Alter war, in dem man sich am liebsten unsichtbar machen würde, weil man es schon unerträglich findet, wenn jemand einen auch nur von der Seite anschaut, wirkte Guy Martland dem Vernehmen nach auf mich tatsächlich ganz schön unsensibel und fies! Im Grunde auf seine Art genauso unsympathisch wie sein Bruder Jude.
»Ich bin überzeugt, es war nur gut, dass Judes Verlobte die Verbindung gelöst hat, denn geliebt kann sie ihn nicht haben«, sagte Noel, »und ich bin der festen Überzeugung, dass eine Ehe fürs ganze Leben geschlossen wird.«
»Ja, ich auch – und darüber hinaus«, murmelte ich geistesabwesend, in Gedanken noch immer bei Ned Martland.
»Guy und Coco – wirklich ein alberner Name – haben sich gerade verlobt«, sagte Jess. »Es stand in der Zeitung, und ich glaube, Onkel Jude hat deswegen gesagt, er kommt erst nach Weihnachten aus Amerika zurück.«
»Oh, er war aber schon vorher eingeladen, nach dem Festakt zur Einweihung seiner Skulptur die Ferien bei Freunden zu verbringen … Auch wenn du zum Teil vielleicht recht haben könntest, Jess«, räumte ihr Großvater ein. »Wenn Jude zu Hause wäre, wäre es Guy durchaus zuzutrauen, trotz allem zu einer Weihnachtsfeier im Familienkreis aufzukreuzen, ohne sich etwas dabei zu denken.«
»Seit letztem Weihnachten reden die beiden nicht mehr miteinander«, erklärte Jess. »Jude hatte Coco hierher eingeladen, um die Familie kennenzulernen, und Guy hat sie ganz besonders gut kennengelernt. Onkel Jude war ziemlich finster drauf.«
»Das kann ich mir vorstellen!«, bestätigte ich, obwohl er nach den Fotos, die ich gesehen hatte, und nach meinen kurzen Gesprächen mit ihm zu schließen, anscheinend grundsätzlich ziemlich finster drauf war.«
»Dann hatten Jude und sie einen Riesenkrach, Guy hat sie nach Hause gefahren, und das war’s.«
»Ich finde nicht, dass Guy sich unter den gegebenen Umständen sonderlich gut benommen hat, auch wenn die Anziehung zwischen Coco und ihm auf Gegenseitigkeit beruhte«, sagte Noel mit bekümmerter Miene. »Auch hat es meinen Bruder aufgeregt, dass es zwischen seinen beiden Söhnen ein Zerwürfnis gab, und Jude glaubt, dass der tödliche Verlauf seiner Krankheit dadurch
Weitere Kostenlose Bücher