Hollys Weihnachtszauber
Wagen geladen werden musste, war ein Karton voll säuberlich abgehefteter Haushaltsakten.
»Ich glaube, ich bin hier beinahe fertig«, sagte ich und nahm einen Keks aus der Packung, die Laura mitgebracht hatte, auch wenn Crawford’s Garibaldi nicht wirklich meine Lieblingssorte ist – der Anblick erinnert ein bisschen zu sehr an zerquetschte Stubenfliegen. »Und, wirst du dieses Baby jetzt Garibaldi nennen?«
Diese Frage war jedoch gar nicht so abwegig, wie sie einem jetzt vielleicht vorkommen mag, denn während ihrer letzten Schwangerschaft war Laura süchtig nach Marsriegeln gewesen und hatte ihren kleinen Jungen daraufhin Mars genannt. Er konnte von Glück sagen, dass es nicht Twix oder Snickers gewesen waren.
Sie kicherte. »Ganz sicher nicht! Aber wenn es ein Mädchen wird, benennen wir sie nach dir vielleicht Holly, auch wenn es eher ein Frühjahrsbaby als ein Weihnachtskind werden wird.«
Ich hasste meinen Vornamen (die Wahl meiner verstorbenen Mutter), bei dem in England jeder an Stechpalmenzweige und Weihnachtslieder denkt, war aber trotzdem gerührt. »Vermutlich immer noch besser als Garibaldi«, räumte ich ein, »vor allem für ein Mädchen.«
Ich nahm einen Schluck von dem hellen duftenden Tee, es war ein Earl Grey, den Laura mitgebracht hatte, und nicht der Yorkshire-Tee, den Oma immer derart stark gekocht hatte, dass der Löffel fast drin stehen blieb. »Der Lieferwagen kann jeden Moment hier sein, wir müssen also nur noch den Karton mit den Papieren in mein Auto quetschen, dann war’s das. Der Zählerableser war da, als du in der Küche gewesen bist, sodass wohl auch jeden Moment der Strom abgestellt wird.«
Wie aufs Stichwort erlosch die schwache Glühbirne unter der marmorierten Glasschale und ließ uns in der anbrechenden Dunkelheit des Dezembernachmittags zurück.
»Führ, liebes Licht, im Ring der Dunkelheit, führ du mich an« , sang ich mit Grabesstimme.
»Du kennst wirklich für jede Gelegenheit ein Kirchenlied.«
»Das wäre bei dir nicht anders, wenn eine Rätselhafte Baptistin dich großgezogen hätte.«
»Trotzdem nur gut, dass du mit dem Aussortieren fertig bist«, sagte Laura. »Deine Oma hat ja nicht gerade viel aufgehoben?«
»Nein, nur die paar Erinnerungsstücke in diesem Blechkoffer, den ich mit heimgenommen habe – und ich habe noch ein bisschen weiter in dieser Art Tagebuch gelesen, von dem ich dir erzählt habe. Teilweise ist es recht spannend, aber zwischendrin muss man sich durch jede Menge viktorianisch klingende Moralpredigten kämpfen.«
»Könntest du diese Teile nicht überspringen?«, schlug sie vor.
»Ich dachte daran, habe dann aber beschlossen, alles zu lesen, weil ich eigentlich nie das Gefühl hatte, sie wirklich ganz zu kennen, und auf diese Weise vielleicht eine Vorstellung davon bekomme, was tatsächlich in ihr vorging.«
»Sie war eindeutig sehr in sich gekehrt und asketisch«, bestätigte Laura und ließ den Blick durch den sparsam möblierten Raum schweifen, » und genügsam, aber das kam wahrscheinlich von ihrer Erziehung.«
»Ja, wenn ich ihr ein Geschenk kaufen wollte, hat sie jedes Mal gesagt, sie hätte alles, was sie bräuchte. Nur der Lavendelseife von Yardley konnte sie nie widerstehen, weiter allerdings gab sie den Verlockungen des Fleisches grundsätzlich nicht nach.«
»Sie war sehr stolz auf dich, weil du ein eigenes Haus und Erfolg im Beruf hattest.«
»Ja, ich denke schon, auch wenn sie es lieber gesehen hätte, dass ich Lehramt studiere, so wie Alan und du – in ihren Augen war eine Köchin kaum etwas Besseres als eine Dienstmagd. Und als ich das Restaurant verlassen und stattdessen einen Vertrag mit der Homebodies-Agentur abgeschlossen habe, meinte sie, im Sommer für große Hausgesellschaften zu kochen und im Winter anderer Leute Anwesen und Tiere zu hüten, sei doch im Grunde nichts anderes, als sich als Hausmädchen zu verdingen.«
»Bis jetzt ist es aber sehr gut gelaufen, oder? Für die Aufträge im Sommer bekommst du derart üppige Honorare, dass du dir die mager bezahlten Haushüterjobs im Winter unbesorgt leisten kannst.«
»Die sehe ich ja eher als Tapetenwechsel und Auszeit, und es gefällt mir gut, mietfrei im Haus fremder Leute zu wohnen. Ich bekomme immer wieder andere Teile des Landes zu sehen, und die Auftraggeber wissen ihr Haus und ihre Tiere in guten Händen, sodass sie ihren Urlaub unbeschwert genießen können.«
»Aber da dein nächster Haushüterjob geplatzt ist, könntest du eigentlich den
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