Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5
daß wir sein Haus
auf den Kopf stellen würden. Die Disketten . . . «
Wieder hielt sie den Atem an und strich sich über die Wange.
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»Bei denen verstehe ich nur noch Bahnhof. Doris' PC braucht im Grunde gar
nichts zu bedeuten.«
»Aber was ist mit den Scheidungspapieren?« fragte Karianne und wurde rot.
Hanne hatte inzwischen registriert, daß ihr das immer wieder passierte.
»Warum hat er nichts darüber gesagt?«
Hanne nickte langsam.
»Da sagst du was Wahres. Aber sind sie nicht alle so? Haben wir nicht
allesamt überflüssige Arbeit, weil Zeugen und Verdächtige es für gut befinden,
uns zu beschwindeln, wenn ihnen etwas unangenehm ist?«
Karianne zuckte mit der einen Schulter und starrte die Tischplatte an.
»Aber«, sagte Billy T. »Was wolltest du eigentlich damit sagen, daß wir es mit
einer Kombination versuchen sollten?«
Der Abteilungsleiter fischte ein Streichholz aus einer Schachtel in seinen
engen Jeans und schob es sich zwischen die Zähne.
»Daß Stäle Salvesen nicht tot ist. Daß er das alles arrangiert hat. Und daß es
noch Faktoren gibt, die wir nicht kennen. Mit anderen Worten. . . «
Er blätterte zu Hannes ursprünglicher Liste zurück.
»A, B und nicht zuletzt C«, sagte er. »Das Chaos. Es gibt Dinge, die wir nicht
wissen.«
»Das ist klar«, sagte Billy T. »Aber wir können diese These auch noch weiter
ausdehnen.«
Er kicherte kurz und zupfte sich am Schnurrbart.
»Was, wenn es eben wie ein Set-up wirken soll? Was, wenn irgendwo ein
Mörder sitzt und sich gelb und grün darüber ärgert, daß die Polizei darauf
noch nicht gekommen ist?«
»Und der Witz dabei?« fragte Hanne trocken. »Wenn weder Stäle Salvesen
noch Sigurd Halvorsrud den Mord be
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gangen haben, dann muß es doch darum gegangen sein, daß einem von beiden
die Schuld zugeschoben wird.«
»Also«, sagte der Abteilungsleiter und spuckte Holzfasern aus. »Ich muß jetzt
leider zu einer anderen Besprechung.«
Tischbeine kratzten über Linoleum, als dem Abteilungsleiter Platz gemacht
wurde. In der Tür drehte er sich noch einmal um und starrte den
Overheadprojektor an. Dann zerbrach er das Streichholz, auf dem er noch
immer herumkaute, spuckte die Hälfte auf den Boden und sagte langsam:
»Halvorsrud zuliebe müßten wir hoffen, daß Stäle Salvesens Leiche nie
gefunden wird. Dem Oberstaatsanwalt zuliebe müßten wir hoffen, daß es ganz
einfach keine Leiche gibt. Was ich selber hoffe, weiß ich nicht so recht. Schö-
nen Tag noch.«
Es war Montag, der 29. März 1999, und die Uhr ging auf drei zu. Hanne
Wilhelmsen fiel plötzlich etwas ein, das sie sich vor drei Wochen versprochen
hatte. Den Fall gelöst zu haben.
Heute.
6
Evald Bromo hatte von den Dönerratten in den Sträuchern von Spikersuppa
gehört, hatte sie jedoch nie gesehen. Jetzt stand er vor dem Nationaltheater
auf der Straße und sah zu, wie die beiden Riesenbiester sich um die
Essensreste des Wochenendes rauften, die betrunkene Nachtschwärmer ins
Gebüsch geworfen hatten. Die grauen Nager waren so groß wie halbwüchsige
Katzen, und Evald schauderte es. Danach füllte sich der Taxihalteplatz in der
Roald Amundsens gate mit Wagen, die die Aussicht versperrten. Er schaute
auf die Uhr.
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Kai war spät dran.
Außerdem fiel Evald ein, daß er seine Mutter besuchen mußte. Er schaute fast
jeden Tag einmal im Pflegeheim vorbei. Jetzt war Dienstagnachmittag, und er
hatte die alte Dame am Freitag zuletzt gesehen.
Evald Bromo fühlte sich jetzt wohler als irgendwann sonst in seiner
Erinnerung.
Die Ruhe, die ihn in der Nacht zum Sonntag auf der Treppe der Bücherei
überkommen hatte, war von Dauer gewesen. Obwohl er in seinem Entschluß
immer wieder schwankend wurde, konnte er in regelmäßigen Abständen
wieder zu ihm zurückkehren. Das half. Sein Entschluß bedeutete zwar eine
Katastrophe. Alles würde vorbei sein. Aber das war besser, als zu warten. Die
vergangenen Wochen hatten ihn fast umgebracht. Und bis zum i . September
waren es immer noch fünf Monate. Das war zu lang. Er wußte es jetzt; nach
schlaflosen Nächten und unproduktiven Tagen voller Angst wäre alles besser,
als so weiterzumachen.
Und egal, wie er das Ganze auch drehte und wendete, er war dabei, das einzig
Richtige zu unternehmen. Evald Bromo wandte sich für einen Moment zum
Rathaus um und nahm einen Hauch von Kaffeegeruch aus dem Hafen wahr.
Er atmete tief ein und versuchte sich zu erinnern, ob er jemals stolz auf
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