Homeland: Carries Jagd: Thriller (German Edition)
auf und rannte, so schnell sie konnte, zurück ins Wohnheim.
In ihrem Zimmer riss sie sich die Kleider herunter, saß splitternackt auf dem Bett und begann, fieberhaft in ein Heft zu schreiben. Seite um Seite. Es ging um Musik – dass die Gesetze des Universums auf einem musikalischen System beruhten. Sieben Stunden später, als der Morgen bereits dämmerte, war sie fertig und hatte ein Fünfundvierzig-Seiten-Manifest verfasst. Sie nannte es Wie ich die Musik neu erfand . Darin stellte sie Zusammenhänge zwischen Jazzklängen und Jackson Pollock, Mathematik, Quantenphysik und Einsteins Relativitätstheorie her. Schließlich hing alles zusammen. Wie John, der Scheißkerl, sagte: »Du musst nur hinhören.«
Anschließend nahm sie das Heft und lief, abgesehen von einer Jacke immer noch nackt, aus dem Zimmer, die Treppe hinunter und auf die Straße hinaus. Sie rannte barfuß durch den Schnee und hätte beinahe einen klein gewachsenen Hispanoamerikaner mit Brille zu Fall gebracht, augenscheinlich einen Professor. Sie fasste ihn am Mantel und drückte ihm ihr Manifest in die Hand. »Sie müssen das lesen und veröffentlichen. Es wird die Welt verändern. Alles ist Musik, aber die ausgetretenen Pfade bringen uns nicht weiter. Ich habe die Musik neu erfunden, verstehen Sie? Es hängt alles zusammen. Das ist der Geist Gottes, verdammt.«
»Alles in Ordnung, Miss?«, fragte der kleine Mann und blickte sich Hilfe suchend um. Ein paar Studenten waren stehen geblieben und verfolgten die Szene.
»Sie müssen es lesen, jetzt gleich! Es ist das wichtigste Dokument der Welt. Sehen Sie!« Sie zeigte ihm die erste Seite.
»Kennt jemand von Ihnen diese junge Frau?«, fragte der Professor. Niemand sagte etwas.
»Sie ist nackt«, stellte ein Mädchen fest.
»Und barfuß«, fügte ein Student hinzu.
»Was redet ihr da?«, rief Carrie. »Versteht ihr denn nicht? Charlie Parker und Thelonious Monk haben die Musik von dem ganzen toten, europäischen Mist befreit. Sie haben die mathematischen Gesetze dahinter erkannt. Da drin finden Sie das ganze Universum!«
»Ich bin Professor Sanchez. Helfen Sie mir mal«, forderte er die Studenten auf. »Bringen wir sie zum Arzt.«
Carrie plapperte immer noch, während sie ins Student Health Center geführt wurde, wo sie Carbamazepin bekam, das sie sogleich wieder ausspucken musste. Daraufhin pumpten sie sie dermaßen mit Beruhigungsmitteln voll, dass ihr vom Rest des Tages und den folgenden zwei Wochen keinerlei Erinne rung blieb. Erst das Lithium, das man ihr anschließend in einer Privatklinik gab, brachte sie wieder zurück.
»Du hast abgehoben«, erklärte ihr Vater zu Hause in Maryland. »Es tut mir leid, Caroline. Vielleicht verstehst du mich jetzt. Manchmal denke ich, es ist das Größte und gleichzeitig das Schlimmste auf der Welt.«
»Ich hab’s von dir, du Hundesohn«, sagte sie. »Ich will dich nie wiedersehen und mich nie wieder so fühlen.«
»Du kannst es dir leider nicht aussuchen«, erwiderte er.
Ein paar Tage nach ihrer Rückkehr nach Princeton rief John an. »Was ist passiert?«, fragte er. »Ich habe gehört, du hattest einen Zusammenbruch. Können wir uns treffen?«
»Lass mich in Ruhe! Ich will dich nicht sehen.«
»Was ist denn los? Lass mich rüberkommen.«
»Nein. Ruf nicht mehr an. Bitte.«
»Warum? Sag es mir wenigstens. Das zumindest bist du mir schuldig.«
»Dieses hübsche, nette Mädchen, mit dem du jederzeit schla fen kannst und das dir das Gefühl gibt, so unheimlich klug zu sein – vergiss es. Dieses Mädchen ist fort.«
»Carrie, was ist passiert? Irgendwas mit deiner Familie?«
»Gewissermaßen. Die Gene. Sieh mal, John, du bist gut drauf und findest leicht wieder eine junge Studentin, die du beeindrucken kannst. Erzähl ihr die Geschichten von Billie Holiday und Charlie Parker, aber uns beiden tu den Gefallen und vergiss mich.«
»Ich glaube, ich bin in dich verliebt.«
»Bullshit! Du liebst das Gefühl, das ich dir gegeben habe. Es ging immer nur um dich wie bei der Selbstbefriedigung. Ich war dabei nicht so wichtig.«
»Du hast doch auch deinen Spaß gehabt, oder?«, versetzte er. »Gib’s zu.«
»Ja, den hatte ich. Und jetzt lass mich in Ruhe. Ich meine es ernst«, sagte sie und legte auf.
Es schien alles sorgfältig vorbereitet. Dima würde nicht alleine nach New York kommen. Blieb nur die Frage, wer sie begleitete und wie sie den Anschlag auf den Vizepräsidenten und die anderen Teilnehmer der Veranstaltung durchführen
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