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Homogen

Homogen

Titel: Homogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Nelka
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gesamten Augenfeld gab es keine Grünpflanze oder irgendeine verspielte Dekoration. So sieht also die Wohnung eines Wissenschaftlers aus, dachte sich Christian insgeheim und setzte sich auf die Couch.

    „Warte kurz. Ich hole uns etwas zu trinken!“, befahl Stanley und eilte beschwingt davon. Als sich Christian weiter umschaute, bemerkte er ein kleines eingerahmtes Foto auf der Kommode in der Ecke am Fenster. Interessiert stand er auf und näherte sich dem Bild. Es zeigte Stanley mit Professor Horitsch. Dieser hatte seinen Arm um den jungen Assistenten gelegt und schaute glücklich in die Kamera. Stanley selbst wirkte eher ernsthaft, schüchtern und hatte ein Reagenzglas in der Hand. Vielleicht spielte auch die Eifersucht hierbei eine Rolle, dachte sich Christian. Stanley hatte sich eventuell in seinen Mentor verliebt, aber die Liebe wurde nicht erwidert oder nur ungenügend! Als ihn dann der Professor abwies, vergiftete der enttäuschte Assistent seinen Lehrmeister!

     
     

    Stanley kam mit zwei Gläsern und einer Flasche Prosecco herein und unterbrach die Mutmaßungen seines Gastes. „Ein schönes Foto nicht wahr?“, sagte der junge Rothaarige entzückt. Christian nickte zustimmend und sah seinen Verdächtigen mit forschenden Augen an. Stanley füllte beide Gläser mit der prickelnden Flüssigkeit.

    „Auf Professor Horitsch. Möge er in Frieden ruhen!“, erhob Stanley sein Glas und prostete Christian zu. Dieser nickte und erwiderte: „Auf den Professor“.

    Das Herz des jungen Modedesigner schlug auf einmal schneller. Die Worte seines Gastgebers zusammen mit dessen verschmitzten Blicken, machten ihn zutiefst nervös. Trank er etwa mit einem Mörder auf dessen Opfer, fragte er sich im Stillen. Eine kurze Weile des Schweigens. Stanley starrte ernst und Gedanken versunken auf das Bild. Christian versuchte in seinem Blick Trauer zu erspähen.

    „Wie standest du eigentlich zu dem Professor? Ich meine, fandest du ihn – nett?“, versuchte Christian etwas pedantisch aus seinem Gegenüber herauszukitzeln. Dieser zuckte nur kurz mit seinen Achseln.

     
     

    „Er war mein Vorgesetzter. Ich konnte gut mit ihm!“, antwortete Stanley nicht besonders tiefgründig. Entweder verstand er es seine Trauer gut zu verbergen, oder er empfand keine.

     
     

    „Stimmt das eigentlich, dass ihr auch an Menschen herumexperimentiert habt?“, fragte Christian schließlich.

     
     

    Stanley überlegte kurz und nickte dann. „Naja. Nur an mir. Der Professor entnahm einige Proben von mir und begann die Genreihen zu separieren.“

     
     

    „Aber fandest du es nicht komisch? Ich meine, du bist auch einer von uns. Denkst du denn, dass nur die Gene für unsere Vorliebe verantwortlich sind?“ Christian ereiferte sich in seinen Fragen und seine Wangen begannen etwas zu glühen. Stanley war überrascht von diesen Fragen, aber zugleich auch erfreut, so schien es Christian.

     
     

    „Einerseits möchte ich nicht, dass einzig die Gene unsere Sexualität bestimmen. Das wäre so...als wären wir irgendwie mutiert. Andererseits glaube ich an die Wissenschaft. Ihr zuliebe habe ich mich auch geopfert und meine DNS hingegeben. Ich meine, Gene sind auch für Alzheimer oder unsere Haarfarbe verantwortlich. Sie sind unser menschliches Steuersystem. Könnten wir sie entschlüsseln, dann stünde uns nichts mehr im Wege. Alles wäre reproduzierbar, reparierbar und steuerbar. Wir hätten die Kontrolle über die Natur!“

     
     

    Stanleys Worte erschütterten Christian bis ins Mark. Er hatte zwar gewusst, dass dieser Wissenschaftler etwas merkwürdig ist, aber dass er solche Ansichten vertrat, war ihm jetzt irgendwie unheimlich. Dennoch, er musste Haltung bewahren und seine Mission beenden, dachte er sich und versuchte seine Reaktion auf das Gesagte auf ein leichtes Kopfnicken zu beschränken.

     
     

    „Willst du mal meine Sammlung des Schreckens sehen?“, fragte der Wissenschaftler schließlich und wies grinsend auf die Tür an der linken Wand. Christian erschauderte etwas vor dem Gedanken, dass ihn Stanley womöglich gleich Dinge zeigen würde, die er nie wieder vergessen könnte. Ihm graute vor der Vorstellung, irgendwelche obskuren Zellmassen oder eingelegte Tierleichen zu sehen. Dennoch wollte er endlich Gordon wieder sehen und auf freiem Fuß wissen. Er nahm sich also zusammen und nickte mit einem erzwungenen Lächeln auf den Lippen.

     
     

    Stanley ging voran und öffnete die Tür, die zu einem kleinen Nebenraum

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