Honeymoon
arbeiten. Zugegeben, er war nicht gerade ein Genie auf diesem Gebiet.
Aber nun war er schon mal so weit gekommen.
Sämtliche in der Datei genannten Personen hatten Geld auf illegalen Offshore-Konten.
Über eine Milliarde Dollar.
Er hatte sich an einige der in der Liste erwähnten Banken gewandt, aber das war vermutlich nicht gerade der Königsweg in diesem Fall.
Er hatte auch ein paar der Steuersünder zu Hause angerufen. Auch das war keine sehr Erfolg versprechende Methode. Was erhoffte er sich denn von ihnen? Vielleicht Geständnisse?
Dann las er eines späten Abends – es war ein Sonntag – den Lifestyle-Teil der
New York Times
. Allerdings aus anderen Gründen. Wegen Nora Sinclair nämlich. Er brauchte etwas, worüber er sich mit ihr unterhalten konnte. Da war es!
Ta-taa!
Bingo!
Drei, vier, fünf, neun, elf Namen von der Liste, alle auf einem Haufen – als Gäste einer hochkarätigen Party im Waldorf Astoria.
Es fiel ihm wie Schuppen von den Augen – deshalb die Erpressung, der Betrug, die Panik, die er ausgelöst hatte; jetzt begriff er auch, weshalb man ihn herangezogen hatte, um dafür zu sorgen, dass alles glatt lief. Und auch, wieso jemand versucht hatte, ihn zu töten, nur weil er vielleicht etwas wusste.
Was, wie sich jetzt herausstellte, tatsächlich der Fall war.
O'Hara wusste sehr viel mehr, als ihm lieb war.
Über seine beiden Undercoverfälle.
92
Hopp, hopp, O'Hara. Komm in die Gänge, Alter. Susan wollte eine Festnahme, das bedeutete, dass ich mich ein bisschen sputen musste, weshalb es vermutlich in Ordnung war, wenn ich mich nicht hundertprozentig an die Regeln hielt. Das war zumindest meine Interpretation. Aber natürlich höre ich manchmal genau das, was ich hören will.
Als ich Steven Keppler gegenübersaß, fielen mir sofort ein paar Dinge auf. Erstens: Der Anwalt hatte eine beginnende Glatze, die er zu kaschieren suchte, indem er seine viel zu wenigen Haare quer über eine viel zu große Fläche kämmte. Zweitens: Noras Steuerguru war nervös.
Gewiss, viele Leute werden nervös, wenn sie einem FBIAgenten gegenübersitzen – zumeist gänzlich ohne Grund.
Ich verzichtete auf jeglichen Smalltalk und zog sofort ein Foto aus der Tasche. Es war ein Ausdruck einer der Digitalaufnahmen, die ich damals am ersten Tag in Westchester geschossen hatte.
»Kennen Sie diese Frau?«, fragte ich und hielt das Foto hoch.
Er beugte sich über seinen Schreibtisch und antwortete schnell: »Nein, ich glaube nicht.«
Ich streckte den Arm aus, damit er es besser sehen konnte. »Bitte, schauen Sie noch mal ganz genau hin.«
Er nahm das Blatt und lieferte eine schlecht gespielte Imitation eines Mannes ab, der sich ein Foto anschaut: gerunzelte Stirn, ausgedehntes Starren mit zusammengekniffenen Augen, dann übertriebenes Schulterzucken und Kopfschütteln. »Nein, sie kommt mir nicht bekannt vor«, sagte er. »Ist aber eine attraktive Dame.«
Steven Keppler gab mir das Bild zurück, und ich kratzte mich nachdenklich am Kinn. »Das ist aber merkwürdig«, sagte ich.
»Was denn?«
»Dass diese attraktive Dame eine Visitenkarte von Ihnen hat, obwohl sie Sie gar nicht kennt.«
Er rutschte nervös in seinem Sessel hin und her. »Vielleicht hat irgendjemand ihr die Karte gegeben.«
»Klar, so wird's gewesen sein. Aber das erklärt noch nicht, wieso die Dame
mir
erzählt hat, dass sie Sie kennt.«
Keppler rückte mit einer Hand seine Krawatte zurecht, während die andere gleichzeitig sein spärliches Haupthaar glatt strich. Sein Zappelfaktor erreichte allmählich astronomische Werte.
»Lassen Sie mich doch bitte noch mal einen Blick auf das Foto werfen. Darf ich?«
Ich reichte es ihm und lehnte mich in Erwartung einer weiteren miserablen Schauspieleinlage zurück. Ich wurde nicht enttäuscht.
»Oh, warten Sie mal! Ich glaube, ich weiß, wer das ist.« Er tippte ein paarmal mit dem Zeigefinger auf das Foto. »Simpson ... Singleton?«
»Sinclair«, sagte ich.
»Aber natürlich, Olivia Sinclair.«
»Nicht ganz – sie heißt Nora.«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, ich bin mir ziemlich sicher, dass sie Olivia heißt.«
Und das aus dem Munde eines Mannes, der noch vor einer Minute behauptet hatte, nicht zu wissen, wer sie war.
»Dann ist sie wohl eine Klientin von Ihnen, oder?«, fragte ich. »Sehr attraktiv, wie Sie schon sagten. Es überrascht mich, dass Sie sich nicht gleich an sie erinnert haben.«
»Ich bin tatsächlich für sie tätig gewesen, ja.«
»Welche Art von
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